Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, Lokales Kamenz, 07.08.2002
Zu lange Weihrauch geschwenkt
Wirtschaftsexperte Karl Nolle fordert Wende bei Mittelstandsförderung / Grillfest und Forum in Kamenz
KAMENZ. Karl Nolle, das (politische) Schwergewicht der SPD-Landtagsfraktion war gestern mit seinen Mitstreitern des Wirtschaftsarbeitskreises auf Klausur in Kamenz. Der 57-jährige Druckereiunternehmer aus Dresden ist mittlerweile jedem zweiten Sachsen ein Begriff. Dies ist kein Wunder, schließlich hat Nolle maßgeblich am Biedenkopf-Denkmal mitgesägt – und wer vergisst schon den Namen des Königsmörders?
Nolle hat sich ob seines rabiaten Vorgehens gegen das mittlerweile gestürzte Establishment sogar innerhalb seiner eigenen Partei nicht nur Freunde gemacht, aber am härtesten traf den engagierten Unternehmer der wirtschaftliche Druck, der in der Phase des heißen Machtkampfes auf seine Firma und die 60 Arbeitnehmer (darunter neun Lehrlinge!) lastete. Mittlerweile kommen die Druck-Aufträge auch wieder aus CDU-Kreisen, wie man hört, und mit Biedenkopf gibt es offenbar auch keinen echten Groll mehr. So zwischen Landtags-Kollegen. Vielleicht aber kann man an der auch körperlich imposanten Erscheinung Nolles einfach nicht vorbei? Der Vielarbeiter ist schließlich der einzige (!) Unternehmer im sächsischen Landtag, dieser selbst ernannten Hochburg wirtschaftlicher Kompetenz. „Ich weiß jedenfalls, wovon ich spreche“, so Nolle gestern im gut gefüllten Blumenzimmer des Hotels Stadt Dresden. „In Sachen Mittelstandsförderung wurde in Dresden viel zu lange Weihrauch geschwenkt.“ Die Politik kümmert sich um die Großen und um die Kleinen der Konkursverwalter – dieser Zustand habe viel zu lange geherrscht. Weg von der Leuchtturmpolitik und der Förderung mit der Gießkanne, lauten deshalb auch zwei der zentralen SPD-Forderungen an die neue Wirtschaftspolitik. Die allerdings, soviel ist klar, im Freistaat auch noch in den nächsten Jahren vor allem christdemokratisch geprägt sein wird. Freilich angetrieben vom Unternehmer Nolle, der auch leidenschaftlicher Politiker ist: „Demokratie ist Kontrolle von Macht, sonst brauchen wir sie nicht!“ Opposition nur zu diesem (Selbst)-Zweck? Mitnichten! Der Mittelständler, der bei sich Mitarbeiterbeteiligung praktiziert, lobte beim Forum ausdrücklich auch die neue Wirtschafts-Staatssekretärin. „Andrea Fischer hat nur vier Wochen gebraucht, um eine alte Forderung von uns zu verwirklichen. Der Eigenanteil der Gemeinden im geförderten Straßenbau wurde jetzt von 25 auf 10 Prozent gesenkt.“ Ein wichtiger infrastruktureller Wirtschaftsmotor kommt in Gang, hofft auch Landratskandidat Günter Kern, der nun Fischer als SPD-Mann beerben will, wie man weiß.
Gestern jedenfalls waren eine ganze Reihe Kamenzer der Einladung von Nolle, Kern, Bundestagskandidatin Barbara Wittig (MdB) und anderen gefolgt. Man konnte sich beim Grillfest die Bäuche mit sozialdemokratischen Würsten und Steaks füllen und anschließend der Politik auf die Pelle rücken. Quasi beim SPD-Wahlkampfauftakt, wie ihn vor reichlich vier Wochen an gleicher Stelle die CDU vollzogen hatte. Das politische Interesse scheint nach Jahren des Weihrauchschwenkens im Freistaat wieder etwas zu wachsen – und Typen wie Nolle ist es mit zu verdanken ...
(Frank Oehl)