Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 05.05.1999

Biedenkopf greift Lucassen wegen Doppelfunktion an

Vorwurf: DGB-Chef verstößt gegen Neutralitätsprinzip
 
DRESDEN. Landtagswahl 1999
Kommenden Sonnabend nominiert die Sachsen-SPD ihre Kandidaten für die Landtagswahl 1999. Dem Bewerber für Listenplatz 4 weht schon jetzt kräftiger Gegenwind der CDU ins Gesicht: DGB-Landeschef Hanjo Lucassen.
Es liegt gerade mal anderthalb Wochen zurück, als SPD-Landeschef Karl-Heinz Kunckel das Geheimnis um seine künftige Wahlkampfmannschaft lüftete. Neben zwei weiteren Abgeordneten holte er prominente Seiteneinsteiger ins Boot: den früheren Leipziger Uni-Rektor Cornelius Weiss, den Dresdner Unternehmer Karl Nolle und den DGB-Landesvorsitzenden Hanjo Lucassen. Mit Prominenz und Kompetenz, so Kunckels Kalkül, soll endlich die absolute Mehrheit der Union im Freistaat gebrochen werden. Doch noch bevor das Spitzenteam offiziell bestätigt ist, gerät eine wichtige Figur ins Kreuzfeuer der Kritik - und das von höchster Stelle. "Zu den Grundprinzipien des Deutschen Gewerkschaftsbundes gehört die parteipolitische Neutralität", sagte Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) in einem SZ-Gespräch. "Herr Lucassen verletzt dieses Grundprinzip, und Herr Kunckel sollte das nicht in Kauf nehmen." Wenn Lucassen jetzt als Parteipolitiker und Wahlkämpfer gegen die Staatsregierung auftrete, gebe er damit auch das Vertretungsrecht für alle Arbeitnehmer hin, meinte Biedenkopf und erinnerte an den Ausgang der letzten beiden Landtagswahlen, bei denen ein wesentlicher Teil der CDU-Wähler Arbeitnehmer waren. Lucassen selbst sieht in der Doppelfunktion kein Problem: "Das kann man fein trennen." Biedenkopf hält das für ein "Funktionärsargument". Wenn Lucassen wirklich beide Aufgaben trennen würde, wäre ihm entweder der DGB-Landesvorsitz gleichgültig oder die Mitwirkung in Kunckels Wahlkampfteam. Nach Ansicht des Regierungschefs sollte sich Lucassen deshalb von seiner Funktion als DGB-Landesvorsitzender beurlauben lassen. "Es gibt sicher andere befähigte Gewerkschaftsführer in Sachsen, die ihn bis nach der Wahl vertreten könnten."
(Steffen Klameth)