Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 02.11.2002
Geheimkassette bringt LKA in Erklärungsnot
Inhalt könnte die Ermittlungen komplett auf den Kopf stellen
DRESDEN. Einer der spektakulärsten Justizfälle in der Geschichte des Freistaats steht vor einer bizarren Wende: Sieben Jahre nach der Tat ist in Dresden eine Minikassetten mit Gesprächsprotokollen zur versuchten Entführung des Landrats von Mittweida, Andreas Schramm (CDU), aufgetaucht. Auf dem bisher nicht bekannten Tonträger vom 21. und 26. Oktober 1995 befinden sich Aufzeichnungen zweier Geheimtreffen zwischen dem ehemaligen Sparkassenchef von Mittweida, Kurt Fischer, und einem Privatdetektiv. Der Inhalt könnte die Ermittlungen komplett auf den Kopf stellen: Danach gibt es keinerlei Anhaltspunkte für die Verabredung zum erpresserischen Menschenraub.
Genau dafür war der Sparkassendirektor im November 1996 zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Er hat die Tat stets bestritten, mehrmals erfolglos Revision eingelegt und seine Gefängnisstrafe mittlerweile abgesessen.
Hauptbelastungszeuge war jener Detektiv, mit dem der Banker die Tat geplant haben soll, der sich aber der Polizei offenbarte. Bei seinem Urteil stützte sich das Landgericht Zwickau vor allem auf jene beiden Treffen im Oktober 1995, bei denen die Tat konkret vorbereitet worden sein soll. Der Detektiv arbeitete eng mit dem Landeskriminalamt (LKA) zusammen, fingierte unter Aufsicht von Beamten Erpresserbriefe, die schließlich zur Verhaftung von Fischer führten.
Sollte das neue Entlastungsmaterial authentisch sein, würde es nicht zuletzt das LKA in eine unkomfortable Lage bringen. Denn fraglich ist, wer die Minikassette aufgenommen, sie aber jahrelang zu Ungunsten von Fischer unterdrückt und schließlich anonym der Öffentlichkeit zugespielt hat. Klar scheint derweil zu sein: Weder Fischer noch der Detektiv, die beide als Urheber in Frage kommen, dürften ein Interesse an einer Veröffentlichung zum jetzigen Zeitpunkt haben; für Fischer kommt sie zu spät, für den Detektiv - Stichwort Meineid - immer zu früh. Sollte die Kassette aber vom LKA selbst stammen, hätte das Amt ein doppeltes Problem: ein Leck im eigenen Apparat sowie den Vorwurf, Beweismaterial unterdrückt zu haben.
LKA-Sprecher Lothar Hofner verwies solche Spekulationen ins Reich der Fabel. "Uns sind keine Mitschnitte zu diesen Terminen aus der damaligen Zeit bekannt", sagte er gestern in Dresden. Der Fall Fischer/ Schramm hatte 1995 als erster großer Lauschangriff in Sachsen für Furore gesorgt, weil die Ermittler unter anderem auch Privaträume des Bankers abgehört hatten. Außerdem sorgten die Ermittler schon damals mit einer Panne für Aufsehen:Sie hatten länger als richterlich genehmigt Gespräche mitgeschnitten. In Dresden sind die neuen Dokumente auch dem SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle zugespielt worden.
(von Jürgen Kochinke)
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