Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 05.11.2002

Behörden kannten die heiklen Dialoge

LKA weist Vorwurf der Beweisunterdrückung zurück, kennt aber den Inhalt der Bänder schon seit Tagen
 
„Auf das schärfste“ werfen Staatanwaltschaft Chemnitz und Landeskriminalamt (LKA) den Vorwurf zurück, sie hätten im Entführungsfall Schramm vor sieben Jahren Beweismittel unterdrückt.

So geht es aus einer Mitteilung vom Sonntagabend hervor. Da war der „Spiegel“ mit den Vorwürfen noch gar nicht erschienen. Die zweiseitige Erklärung hält für den Trubel um die jetzt aufgetauchten Mitschnitte von zwei Gesprächen zwischen den mutmaßlichen Entführern, dem Sparkassendirektor Kurt Fischer und dem Privatdetektiv Rainer Kapelke, eine ganz neue Erklärung bereit: Die Mitschnitte seien getürkt, wie es salopp heißt, sie wurden erst im Oktober 2002 aufgenommen worden.

Denn wie sich überraschend herausstellt, ermittelt das LKA schon lange in der Sache. Bereits Ende September hatte sich Detektiv Kapelke an die Staatsanwaltschaft Chemnitz gewandt, weil Ex-Banker Fischer ihn angeblich finanziell ruinieren und zur „Herstellung von Mitschnitten nachgestellter und inhaltlich veränderter Gespräche“ (LKA) nötigen wolle. Am 12. Oktober habe Kapelke diesem Druck nachgegeben, so das LKA.

An diesem Tag, so der Detektiv gestern am Telefon, habe er sich mit Fischer unter vier Augen getroffen. In seinem Büro und später in einem Wald seien die Dialoge vom Blatt abgelesen worden. Er habe „etwas Interpretationsfreiheit“ gehabt, aber auf entlastende Formulierungen habe Fischer Wert gelegt. Er habe mitgemacht, da er die Sache ja vorher angezeigt hatte und sich so auf der sicheren Seite sehe, sagt der Detektiv und betont, dass er in dieser Sache stets die Wahrheit gesagt habe.

Auch Fischer leugnet das Treffen mit dem Detektiv am 12. Oktober nicht. An dem Tag seien jedoch keine Gespräche nachträglich gefertigt worden, so Fischer. Vielmehr sei er nach diesem Treffen im Besitz der beiden Mitschnitte gewesen, so der Ex-Banker reichlich geheimnisvoll. Wie er in den Besitz kam, wolle er noch nicht sagen. Einen Ausschnitt dieser Gespräche habe er schließlich schon 1998 dem Landgericht Chemnitz zu seiner Entlastung vorlegen wollen. Das Band habe die Staatsanwaltschaft jedoch beschlagnahmt, danach verschwand es.

Unklar ist, warum die Staatsanwaltschaft Chemnitz die oberste Kriminalbehörde des Freistaates mit den Ermittlungen wegen einer versuchten Nötigung beauftragte. Das LKA glaubt derzeit offenbar – wie schon vor sieben Jahren– der Geschichte des Regensburger Detektivs. Der hatte nach dem 12. Oktober den sächsischen Behörden ebenfalls eine Kopie mit Gesprächen zwischen ihm und Fischer übergeben, aber die Herkunft im Dunkeln gelassen, so die Staatsanwaltschaft Chemnitz. Die Kopie landete schon vor Tagen im LKA. Das schwieg am Freitag und informierte erst, als es brenzlich wurde.

Vielleicht plagen die Behörden ja Zweifel. Denn der freie Journalist Christoph Lötsch versichert, ihm seien schon Anfang August Gespächsmitschnitte angeboten worden, die Ex-Banker Fischer im Entführungsfall Schramm angeblich entlasten. Er stellte deshalb weit vor dem 12. Oktober auch Fragen an der Mittweidaer Landrat Schramm.
(Von Thomas Schade)

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