Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 12.11.2002

Wasserski im Rückhaltebecken

Ein Nachtklub-Besuch der Gemeinderäte sorgte für Trubel in Rossau, ist aber eine Lappalie im Vergleich zum übrigen kommunalen Wildwuchs.
 
Das Etablissement „Rendezvous" liegt verlassen in einer Kurve gleich hinterm Ortsausgang von Rossau. "Swinger Single Party Club" - das Schild an der Fassade kündet noch von den Lebensfreuden, die hier mal gepflegt wurden. Vor Jahren hieß das Haus Club „Prive" und war ein Nachtklub, angeblich sogar ein Puff. „Hier ist lange zu“, sagt ein Junge, der zufällig vorbeiradelt.

Doch einige Damen der guten Gesellschaft des kleinen Ortes zwischen Mittweida und Hainichen gleich neben der A 9 stellen ihren Männern jetzt peinliche Fragen, so ist im Dorf zu hören. Seit kurzem ist bekannt, dass auch der Gemeinderat und andere Honoratioren das frivole Haus einmal besuchten, in dem später die Polizei zur Razzia wegen des Verdachts der Förderung der Prostitution einmarschierte.

Der Besuch wäre längst kein Thema mehr. Doch nach Jahren kommt jetzt raus: Bürgermeister und Gemeinderäte amüsierten sich damals auf Kosten des Steuerzahlers. Der nette Abend ist nämlich im Kassenbuch der Firma Indu-Park GmbH verrechnet, und an der war die Gemeinde beteiligt.

Finanzakrobatische Übungen rächen sich

Bürgermeister Horst Glöß und seine Kompagnons hatten die Indu-Park GmbH gleich nach der Wende für die Rossauer Zukunft gegründet. Die Firma kaufte einigen Bauern den Acker ab. Er sollte als Industrie- und Gewerbegebiet gleich neben der Autobahn entwickelt, erschlossen und vermarktet werden. Bürgermeister Glöß führte selbst die Geschäfte mit und verschwand erst im November 1998 aus dem Handelsregister. Das könnte wichtig werden. Denn die rund 1600 Mark, die im Nachtklub „Prive" hängen blieben sind Peanuts, im Vergleich zu anderen finanzakrobatischen Übungen, die dem Bürgermeister nach den Jahren auf die Füße fallen können. Dabei geht es um Millionen.

Die alten Geschichten kommen jetzt raus, weil neue Gesellschafter die Firma Indu-Park und deren Nachfolgerin GEV GmbH übernommen haben. Auf einen „geschäftlichen Scherbenhaufen" sei er gestoßen, sagt Thomas Hellriegel, einer der beiden neuen Firmeninhaber. Bei ihm wächst der Verdacht: Bei der Errichtung des Gewerbegebietes könnten einige Millionen Mark verschwunden sein. In den noch immer unvollständigen Akten, die er übernahm, findet sich nicht eine testierte Geschäftsbilanz, dafür aber Mietwagenrechnungen für rund 700 000 Mark, sagt Hellriegel und nennt das Verschwendung.

Angesagte Adresse für Wassersportler

Nicht nur Bürgermeister Glöß und Gattin leisteten sich eine Zeit lang ihre Mobilität auf Kosten der Firma. Auch die Spezis an seiner Seite, mit denen er eine blühende Landschaft ans dem Boden wachsen lassen wollte, hatten besondere Ansprüche. Sie gehörten nämlich zum Porscheklub im westfälischen Soest und mieteten die Edelmarke 911Carrera 2 Cabriolet zum Monatspreis von 12962 Mark - auf Geschäftskosten der Indu-Park.

Mehr Bescheidenheit wäre angesagt gewesen. Denn die Erschließung des Ackers am Rande des Rossauer Waldes für rund zwölf Millionen Mark hatten die EU und der Freistaat 1992 mit fünf Millionen Mark gefördert. Längst haben sich im Indu-Park die Handelskette Norma, ein Bettenhersteller und allerlei anderes Gewerbe angesiedelt. Die Erschließung sei jedoch nicht abgeschlossen, so Thomas Hellriegel, aber die Geschäftskasse sei leer.

Nun tauchen Zweifel auf, ob Bürgermeister Glöß und seine Partner die Fördermittel auch dem ursprünglichen Zweck entsprechend ausgaben. Für den größten Teil der Fördermittel sollten Regenrückhaltebecken gebaut werden. Statt mehrerer kleiner Becken entstand ein großes und eine Wasserskianlage noch dazu. Die macht Rossau zwar seit 1995 für Wassersportler zur angesagten Adresse. Bei schönem Sommerwetter geht es hier hoch her. Aber in dem künstlichen Teich ließ auch schon ein Mann beim Baden sein Leben, und am 13. August dieses Jahres, nach dem großen Regen, lief die Hochwasserschutzanlage über.

Es kam raus: Gemeinde und Pächter der Anlagen haben bis heute keine wasserrechtliche Genehmigung, um das Becken irgendwie zu nutzen. Seit sieben Jahren läuft hier unter den Augen der Behörden offenbar einiges illegal.

Ein Kassensturz offenbarte das Dilemma

Auch andere Geschäfte, die die Indu-Park GmbH unter der Ägide des Bürgermeisters abwickelte, werfen Fragen auf. So finanzierte die Firma, die eigentlich das Gewerbegebiet erschließen sollte, nebenbei auch einen Hotelbau in Rossau. Bauherr war einer der Kompagnons des Bürgermeisters aus dem Soester Porscheklub. Der Hotelbauherr war auch Gesellschaftern der Indu-Park GmbH. Bis heute sei aus den Büchern nicht ersichtlich, wie viel der rund drei Millionen Mark Schulden das Hotel Rossau zurückgezahlt habe, sagt Neu-Inhaber Thomas Hellriegel.

Als es 1995 dann in der Firmenkasse offenbar klamm wurde, sorgte der Bürgermeister für eine Ausfallbürgschaft der Gemeinde. Knapp eine Million genehmigte das Landratsamt Mittweida, damit die Erschließung des Gewerbegebietes weitergehen konnte. 1997 beendete die Gemeinde ihre Geschäftstätigkeit. Und irgendwann 1999 schöpfte wohl auch das Mittweidaer Landratsamt den Verdacht: Der Rossauer Gemeindekasse könnte nicht nur Gutes widerfahren sein, in der Zeit als ihr Bürgermeister gleichzeitig auch Geschäftsführer war. Ein Kassensturz, rückwirkend bis 1991, offenbarte dann das Dilemma. Für wichtige geschäftliche Unterschriften konnte der Bürgermeister Glöß keine Beschlüsse seines Gemeinderates vorlegen, so geht es aus dem Bericht der Finanzprüfer hervor.

Die hatten jede Menge Fragen an den Bürgermeister. Reichlich ratlos schickte er den brisanten Teil des Berichts an seine Kompagnons. Diese sollten ihm insbesondere wegen einer Erklärung beistehen, mit der die Gemeinde auf Forderungen von rund zwei Millionen Mark verzichtete. Bisher kannte das Landratsamt nur eine Verzichtserklärung ohne Unterschrift des Bürgermeisters, nun legten die neuen Besitzer der Indu-Park eine vor, auf der Horst Glöß unterzeichnet haben soll.

Strafanzeige gegen den Bürgermeister

Für Landrat Andreas Schramm, Vorsitzender des Sächsischen Landkreistages, der bereits wegen einer Bau-Affäre in Penig in die Kritik geraten ist, könnte mit Rossau eine weitere unangenehme „Baustelle" entstehen. Denn die seltsamen Geschäfte von Bürgermeister Glöß können in Schramms Haus kaum unbemerkt geblieben sein. Das Landratsamt genehmigte mehrere Ausfallbürgschaften der Gemeinde für die Geschäfte der Indu-Park GmbH. Doch die Rossauer Kassenprüfung von 1999 blieb folgenlos. Der Bürgermeister indes schrieb einem seiner Kompagnons im Januar 2000, dass die Sache mit der Verzichtserklärung ihm und anderen den „Kopf" kosten könne.

Der sächsische Bund der Steuerzahler erstattete denn auch Strafanzeige gegen den Bürgermeister und andere Unbekannte wegen des Verdachts der Untreue. Doch bei Horst Glöß scheint die Furcht verflogen. Er gibt sich mittlerweile kämpferisch. Nur „bodenlose Unterstellungen" würden jetzt gegen ihn vorgebracht. Einen Prozess sehne er „geradezu herbei", denn der würde seine Unschuld klarstellen. Heute hat Bürgermeister Glöß ganz andere Sorgen: Er muss eine neue Kindereinrichtung aus dem Boden zaubern und hat dafür kein Geld.
(Thomas Schade)