Karl Nolle, MdL
DNN, 08.05.2000
Bundesweit einmaliges Schülerrechenzentrum vor Schließung
Stadt sind junge Computerspezis zu teuer geworden
DRESDEN. "Ist doch Blödsinn, Fachleute aus dem Ausland zu holen, während hier die Ausbildungsmöglichkeit wegfällt!" Spontan kommentieren Schüler am Dresdner Schülerrechenzentrum den Widerspruch zwischen Green-Card-Diskussion und drohender Schließung ihrer Einrichtung. "Künftige Kaderschmiede" hatte am l. Oktober 1984 die damalige "Union", die Vorgängerin der DNN, getitelt, als SED-Bezirkschef Hans Modrow das Schülerrechenzentrum eröffnete. Ein Gemeinschaftsprojekt von Robotron und dem Pionierpalast in Schloss Albrechtsberg. Und bis heute setzt sich das Rechenzentrum Begabtenförderung zum Ziel. Die älteren der momentan 114 dort ausgebildeten Schüler geben sich auch schon ganz berufsbewusst. Das Hobby verbessere ihre Einstiegschancen in ein beabsichtigtes Studium und den erhofften Zukunftsberuf. Drei Stunden wöchentlich am Nachmittag setzen sie für ihre Zusatzqualifikation vorwiegend bei Programmieraufgaben ein. Ein Angebot, das nach ihrer Erfahrung kaum ein Betrieb und schon gar keine Regelschule bietet.
Die Einrichtung im Gebäude der heutigen 10. Sportmittelschule auf der Paluccastraße überstand die Wende. Seither wurde sie wie eine Schule vom Schulverwaltungsamt geführt. Die Stadt übernahm rund 100 000 Mark jährliche Sachkosten, das Regionalschulamt zwei halbe Lehrerstellen. Vom Schulverwaltungsamt der Stadt kam auch aus heiterem Himmel die Absicht, das Rechenzentrum zu schließen. "Andere als finanzielle Gründe haben wir nie gehört", sagt Michael Unger, einer der beiden Lehrer. Mit Unterstützung von Wirtschaftsdezernent Rolf Wolgast (SPD) gelang es zunächst, eine entsprechende Vorlage an den Stadtrat zu stoppen. "Es ist doch paradox, dass die Stadt das Rechenzentrum als Belastung empfindet, anstatt sich dieser Zukunftsinvestition zu rühmen", meint der TU-Informatiker Prof. Steffen Friedrich als Vorsitzender des Fördervereins. Ende März hat er einen Unterstützungsbrief geschrieben und sucht seither nach Überlebensmöglichkeiten.
Auch der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle hat sich inzwischen für den Erhalt dieser bundesweit einmaligen Fördereinrichtung eingesetzt. Nach einem Gespräch in der letzten Aprilwoche schlug die Stadt eine Integration in die Jugendvolkshochschule vor. Eine Variante, mit der sich weder Prof. Friedrich noch die Mitarbeiter abfinden können. "Sie passt nicht in unser Konzept der Begabtenförderung." "Auch bei einem alternativen Standort und möglicher Sponsorenunterstützung wird öffentliche Förderung unverzichtbar bleiben", beharrt Prof. Friedrich. Das Dresdner Regionalschulamt macht eine weitere Lehrerabordnung von der Entscheidung der Stadt abhängig. Man sei grundsätzlich dazu bereit, obgleich Informatik-Lehrkräfte überall dringend gebraucht würden, sagte Sprecherin Cornelia Franke. An der Wertschätzung eines solchen Ergänzungsangebots ließ sie aber keinen Zweifel. Die Verantwortlichen im Schulverwaltungsamt sind derzeit nicht erreichbar. So bleibt das Schicksal des Rechenzentrums trotz gewachsener Unterstützung vorerst in der Schwebe.
(Michael Bartsch)