Karl Nolle, MdL
Frankfurter Neue Presse, 09.01.2001
Verhelfen SPD und PDS einem SED-Politiker zum Comeback?
DRESDEN. Gibt es fuer Wolfgang Berghofer, den letzten SED-Oberbuergermeister von Dresden, ein politisches Comeback? Der 57-Jaehrige hat eine Chance, als Kandidat fuer die im Juni bevorstehende Wahl des Oberbuergermeisters in Sachsens Landeshauptstadt aufgestellt zu werden.
Seit der vergangenen Woche reissen die Spekulationen um die Aussichten des gegenwaertig parteilosen Ex-Bonzen nicht ab. Von Berghofer selbst kam bisher nur ein deutliches "Jein", zuletzt nach langem Schweigen am vergangenen Wochenende.
Der Unternehmensberater aus Berlin wird seit einigen Tagen als Art Notnagel gehandelt, zumindest bei PDS und aeusserst vorsichtig bei der SPD. Die oppositionellen Parteien in Dresden moechten einen gemeinsamen ueberparteilichen Kandidaten fuer die Wahl am 10. Juni aufstellen, um CDU-Oberbuergermeister Herbert Wagner abzuloesen.
In den eigenen Reihen fanden PDS, SPD und Gruene allerdings keinen geeigneten Herausforderer fuer Wagner, der seit 1990 in der rund 470 000 Einwohner zaehlenden Landeshauptstadt im Amt ist. Die Gespraeche zur gemeinsamen Kandidatensuche scheiterten Ende 2000.
Die PDS, staerkste Fraktion im Stadtparlament, hatte sich schon frueher fuer Berghofer ausgesprochen - auch wenn er angeblich nicht der Wunschkandidat der SED-Nachfolgepartei ist.
In der Dresdner SPD haben die Genossen genau im Blick, dass die SED-Vergangenheit Berghofers vielen Waehlern ein Dorn im Auge sein koennte. Dass SPD-Landeschefin Constanze Krehl den Ex-OB unter Umstaenden als Kandidaten fuer denkbar haelt, empfindet man in der Stadt-SPD als Einmischung. "Wir haben selbst verschiedene Optionen", heisst es ablehnend.
In die Suche nach einem geeigneten Kandidaten ist dem Vernehmen nach sogar SPD-Generalsekretaer Franz Muentefering eingeschaltet.
Die CDU indes kann sich relativ ruhig zuruecklehnen und die Muehen der Oppositions-Kandidatenkuer beobachten. Berghofer haette ohnehin - sollte er erfolgreich kandidieren - keine Mehrheit im Dresdner Stadtparlament und koennte aus diesem Grund kaum agieren.
Einen nicht geringen Anteil an den holpernden Vorgaengen hat die Dresdner SPD. Im Herbst hatte sie quasi im Alleingang den Landtagsabgeordneten Karl Nolle als ihren Favoriten aufs Tapet gehoben. Doch der erwies sich als nicht mehrheitsfaehig. Er warf in der vergangenen Woche ueberraschend das Handtuch, um einer weiteren Kandidatensuche nicht im Wege zu stehen.
Die PDS als staerkste Oppositionsfraktion bot umgehend an, ihre fuer das OB-Amt favorisierte Bundestagsabgeordnete Christine Ostrowski gleichfalls aus dem Rennen zu nehmen - im Interesse einer neuen gemeinsamen Kandidatensuche.
Wie sich die weiter gestaltet, liegt im Bereich der Spekulation. Berghofer - von 1986 bis 1990 OB Dresdens und in der Wendezeit einer der Hoffnungstraeger der SED-PDS - will seine Entscheidung, ob er "zum Wohl Dresdens und seiner Buerger" als Kandidat antritt, nicht unter Zeitdruck treffen.
Die Erklaerung Berghofers, der nach der Wende wegen Wahlfaelschung verurteilt worden war, duerfte PDS und SPD nicht genuegen. Denn die Oppositionsparteien wollen ein klares Wort - auch und vor allem zu seinen politischen Vorstellungen. "Eine Katze im Sack kaufen wir mit Sicherheit nicht", formulierte es eine SPD-Genossin.
(Petra Strutz)