Karl Nolle, MdL

Deutscher Drucker Nr. 19, 20.05.1993

Aus ostdeutschen Handwerkern werden deutsche Unternehmer

 
Bericht von der Jahreshauptversammlung des Verbandes der Druckindustrie Sachsen, Thueringen, Sachsen-Anhalt e.V. in Suhl

Zugegeben, eine Jahreshauptversammlung (23./24. 4. 93) zwischen den Verbandswahlen ist nicht der TopHoehepunkt. Umso hoeher ist die vergleichsweise rege Beteiligung der Mitglieder zu werten. Ueber 150 Teilnehmer und Gaeste hatten die lange Anreise in den suedwestlichsten Zipfel des Verbandsgebietes auf sich genommen. Drei Gruende dafuer waren zu hoeren: Neben den Verbandsinformationen und darunter besonders die Tarifpolitik und einem guten Vortragsprogramm sahen viele die Zeit fuer persoenliche Gespraeche mit Kollegen am Rande des Treffens als Reisegrund an.

Die umsichtige Vorbereitung und der reibungslose Verlauf der Veranstaltung seien zuerst erwaehnt. Ohne Zweifel die Arbeit der Leipziger Geschaeftsstelle. Fuer Heinz R. Becher, dem Nachfolger von Dr. Alfred Etzel als Geschaeftsfuehrer, ein erfolgreicher Einstand. Das Grusswort des Geschaeftsfuehrers des Bundesverbandes Druck, Dr. Walter Hesse, ist nun schon gute Traditon.

Offensichtlich hat er sich die Betreuung des juengsten Landesverbandes zur Chefsache gemacht. Es ist nicht nur die Warmherzigkeit des Statements, sondern auch die Aufmerksamkeit, mit der er die keineswegs problemlose Entwicklung in den neuen Bundeslaendern verfolgt. Das wird sehr wohl bemerkt.

Karlheinz Koch, der Landesvorsitzende, konnte in seinem Jahresbericht weder einen Boom beim Mitgliederzuwachs konstatieren - im Gegenteil, die Mitgliederzahl stagniert noch eine Trendwende in Aus- und Weiterbildung bekanntgeben.

Hauchler-Studio Leipzig?

Die durchaus guten Bildungsangebote werden von den Unternehmen kaum genutzt. Von 48 angebotenen Seminaren haben nur 17 stattgefunden.

Tarife fuer die Druckindustrie Ost - schwierig, aber loesbar

Auch bei der Facharbeiterausbildung verweigern sich zu viele Betriebe. Den Hoehepunkt aber setzt die Tatsache, dass das Angebot des HauchlerStudios Biberach, in Leipzig die Meister- und Technikerausbildung zu organisieren, immer noch nicht entschieden ist. Grund ist der Streit um ein geeignetes Gebaeude. Als Verursacher steht zweifelsfrei die Landesregierung Sachsen fest. Licht und Schatten oder Worte und Taten des Herrn Ministerpraesidenten Biedenkopf. Sagen wir es positiv. Das Stehvermoegen der Hauchlers ist anerkennenswert, es moege anhalten. Die Tarifpolitik ist auch in der Druckindustrie Ost ein Problem. Aber beileibe nicht das der Metaller. Es sei hier darauf hingewiesen, dass Stufenplan und Anbindung an die Westtarife fuer die Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht nur Spitzenwerte in der deutschen Industrie ueberhaupt darstellen, sondern auch mit einer Oeffnungsklausel versehen sind. Mit dem Tarifabschluss von 3,3 % und den 5 % Anhebung Ost auf 80% des westdeutschen Niveaus kommt immerhin 1993 eine Steigerung von rund 9 % auf die Unternehmen zu.

Das ist besonders fuer die kleinen Betriebe mit einheimischen Inhabern ein Problem. Dort kann man sich jedoch des Eindruckes nicht erwehren, dass es laengst und fernab von der grossen Tarifpolitik einen Konsens in den Unternehmen gibt.

Neue Schwerpunkte Betriebswirtschaft und Finanzierung

Die Gruenderzeit im Osten hat ihren Zenit ueberschritten, obwohl es bei einem Prokopf-Vergleich noch viel zu wenig Druckereien im Osten gibt. Die desolate Wirtschaft der neuen Bundeslaender bremst da gewaltig.

Einen Gruenderkrach wird es wohl nicht geben. Wohl aber einen harten Ausleseprozess. Die wirtschaftlichen Verhaeltnisse verschaerfen sich weiter. Neben dem Verdraengungswettbewerb ruecken nun langsam die Termine der Kreditrueckzahlungen heran. Wohlgemerkt, der Mut zur Investition, der Umstieg auf die Offsettechnik, das Fussfassen in der Marktwirtschaft ist von den ostdeutschen Druckereien mit einem Mut und einem Einsatz vollzogen worden, die allen Respekt verdienen. Aber 30 Jahre Rueckstand sind nicht in drei Jahren aufholbar, da bleibt ein kleiner, entscheidender Rest. Diese Differenz wirkt sich jetzt im Geschaeft aus. Die Inhaber und Fuehrungskraefte werden zu sehr im Tagesgeschaeft gebunden. Zur gruendlichen Entscheidungsfindung, auch zur Weiterbildung, reichen weder Kraft noch Zeit.

Betriebswirtschaftliche und finanzierungsseitige Konfliktsituationen werden noch nicht rechtzeitig erkannt, wohl kaum geahnt. Es gibt auch leider eine Hemmschwelle, darueber zu reden.

Die Banken und Berater stellen eine Haeufung der Faelle fest, wo schon jede Hilfe zur Schadensbegrenzung zu spaet kommt.

Das sollte ein Warnsignal auch fuer den Vorstand sein. Offizielles Thema war es noch nicht. Aber in persoenlichen Gespraechen klang es schon an. Das Typische fuer den Osten ist dabei aber nur die Haeufung.

Vortragsprogramm traf den Punkt

Der Vorstand des Landesverbandes kooptierte den geschaeftsfuehrenden Gesellschafter Karl Nolle vom Druckhaus Dresden in den Vorstand. Er ist einer der Unternehmer, die in den Osten gingen. Mit Erfolg uebrigens, wie sich in Dresden herumspricht.

Karl Nolle gestaltete auch gleich einen Vortrag ueber branchenbezogene EDV-Systeme als Praktiker fuer Praktiker. Er sprach dabei nicht nur schraege Praktiken einiger Software-Verkaeufer an, sondern traf auch die Befindlichkeit der Einheimischen.

Wulf Dieter Steinbach vom Verband der Druckindustrie WestfalenLippe e.V. schloss daran nahtlos an. Sein Vortrag ueber "Betriebswirtschaftliche Kennzahlen als Beurteilungs- und Entscheidungsinstrument fuer die Unternehmensfuehrung" traf genau. Denn dort liegt fuer die Fuehrungskraefte im Osten der Knackpunkt. Sie haben kaum Daten fuer den eigenen Betrieb, noch weniger Vergleichszahlen fuer die Region.

Einen bunt schillernden Schlusspunkt setzte Peter R. Volke vom Institut fuer Wirtschaftspaedagogik. "In Zukunft noch erfolgreicher und aktiver verkaufen", hiess sein Thema.

Volke bewegte sich sicher an der Grenze erlaubter Beeinflussung und setzte seinen Schwerpunkt in der Kombination von positiver Argumentation und Koerpersprache. Als eine Art Entertainer und Paedagoge vermittelte und demonstrierte er an der eigenen Person Grundwissen des Marketing. Er folgte unterhaltsam und lehrreich zugleich dem alten Grundsatz: Bevor ich meine Ware verkaufe, muss ich mich selbst verkaufen. Es ist ihm beides gelungen.
(Dr. H.-J. Tappert)