Karl Nolle, MdL
Südkurier, 09.04.2001
Der heikle Hofstaat des Königs Kurt
Sachsens Ministerpräsident und seine Frau leben seit Jahren auch privat auf Steuerzahlerkosten
DRESDEN. Gut acht Mark Quadratmetermiete - dafür ist in Sachsens Metropolen Dresden und Leipzig nur unattraktive Randlage zu bekommen. Doch eben so viel bezahlt Ministerpräsident Kurt Biedenkopf derzeit in einem 15-Zimmer-Schloss im noblen Dresdner Villenviertel Loschwitz. Die ehemalige Stasi-Immobilie dient teilweise auch als Gästehaus der Landesregierung. So muss er samt Nebenkosten für die mit Gattin Ingrid privat genutzten 155 Quadratmeter nur bescheidene 1267 Mark hinblättern. Makler gehen in diesem Quartier derzeit etwa von einem doppelten Marktwert aus.
Doch damit ihn auch das nicht zu teuer kommt, darf sich der Regierungschef auch nach Feierabend des Kochs, des Gärtners und der Putzfrau bedienen, die seine Staatskanzlei aus Steuergeldern eigentlich für das Gästehaus anstellte. Das fünfköpfige Personal, das Sachsen im Jahr rund 300000 Mark kostet, lässt der Landesvater seit Jahren offensichtlich auch in seinen privaten Wohn- und Schlafgemächern eifrig putzen und servieren. Stimmt diese jetzt vom Landesrechnungshof geäußerte Vermutung, wäre das ein ungewöhnlicher Vorgang.
Und dass in der Dresdener Staatskanzlei offenbar ein gewisses Unrechtsbewusstsein für die problematische Verquickung von Dienst- und Privatobliegenheiten vorhanden ist, zeigt deren Stellenplan: Das Bedienstetenquartett, früher einzeln ausgewiesen, wird seit 1998 im Haushaltsplan regelrecht versteckt. Es findet sich getarnt im Etatposten {dbcomma}Innerer Dienst, Liegenschaften der Staatskanzlei`` wieder. Und noch weitere Fragezeichen stehen über dem Hofstaat, den sich Biedenkopf aus der Landeskasse finanzieren lässt. So zahlt er überhaupt erst seit Juli 1997 Miete.
Vorher stand ihm die Villa kostenlos zur Verfügung - laut Regierungssprecher Michael Sagurna ein aus dem Ministergesetz rührender Anspruch. Die eher liebevoll, vielleicht ein wenig ironisch gemeinte Bezeichnung "König Kurt" bekommt vor diesem Hintergrund einen neuen Hintersinn.
Während der Landesrechnungshof nun bis Mai den Wohnkonditionen exakt auf den Grund gehen will, erwägt die Opposition schon schärfere Schritte. Wegen "unbefriedigender Auskünfte" denkt SPD-Politiker Karl Nolle über eine Anzeige "wegen Vorteilsnahme" gegen die Biedenkopfs nach. Für PDS-Chef Peter Porsch entstand dem Land seit 1990 bereits ein Ausfall von 1,2 Millionen Mark. Denn da das Ehepaar dank dem Gästehauspersonal wie in einer Hotelsuite wohne, müsse es dafür auch vergleichbare 350 Mark am Tag berappen.
Auch die nicht im Landtag vertretene FDP argwöhnt einen "ungeheuerlichen Sumpf". Landeschef Holger findet es befremdlich, dass der Steuerzahler das "persönliche Lebensumfeld von Kurt und Ingrid Biedenkopf subventionieren muss".
Die CDU-Fraktion unterstellt der Opposition wie auch den Medien, die das Thema erst richtig hoch kochten, hingegen eine "infame Neid- und Diffamierungskampagne". Staatskanzleichef Georg Brüggen, erst seit wenigen Tagen im Amt, stellte sich demonstrativ vor seinen Herren und verteidigte die jahrelange Praxis auch finanziell: Abendessen und andere Empfänge seien mit fest angestelltem Personal wesentlich günstiger zu gestalten als mit Hotels und Catering. Brüggen versicherte zudem, Biedenkopf habe auf den Mietvertrag nie selbst Einfluss genommen. Für die private Nutzung des Dienstwagens - so zu seinem ebenfalls von Staatsdienern gehüteten Ferienhaus am Chiemsee - begleiche er im Übrigen 12000 Mark im Jahr.
Doch nicht zu allen Vorwürfen fällt dem Ministerpräsidenten eine klare Antwort ein. Dem Anschein nach unterscheidet er schon lange nicht mehr streng zwischen privat und dienstlich. Sein Sprecher Sagurna stützt hierbei: "Wir werden uns nicht gegenseitig vorrechnen, ob das Ehepaar Biedenkopf seine Wurstscheiben privat oder öffentlich gegessen hat." Mithin lehne er Fragen zur Trennung dienstlicher und privater Belange ab.
Biedenkopf selbst soll sich im Kreise der CDU-Fraktion "sehr traurig" über die Anschuldigungen gezeigt haben. "Ich weiß nicht, was ich dagegen machen soll", zitiert ihn ein Abgeordneter. Das mag stimmen. Doch es dürfte weniger aus dem Fenster gerufen als mehr an die eigene CDU adressiert sein. Denn anders als die zahnlose Opposition hat der selbstgerechte Ministerpräsident längst seine gefährlichsten Gegner im eigenen Lager. Und so wird im Landtag längst darüber orakelt, dass die entscheidenden Tipps dem Rechnungshof von unionsinternen Widersachern zugespielt wurden. Dahinter werden u.a. Zirkel um den kürzlich auf unwürdige Weise geschassten Ex-Finanzminister Milbradt vermutet. Immerhin wusste der wie kaum ein Zweiter über die Dinge in der Biedenkopf-Villa Bescheid. Und vor wenigen Tagen setzte König Kurt gegen seine Partei auch wieder seine Marschroute in Sachen Amtsnachfolge durch. Nicht ein Sonderparteitag im Herbst soll über den künftigen CDU-Landeschef befinden. Sondern Biedenkopf behält sich die Entscheidung selbst vor - und zwar nicht vor 2002.
(Südkurier)