Karl Nolle, MdL

Frankfurter Rundschau, 12.08.2002

Sachsens SPD geht die Elbe runter

Chefin Krehl bleibt, aber die Genossen enteilen in Scharen
 
SACHSEN. Sachsens SPD hat am Wochenende Constanze Krehl als Vorsitzende bestätigt. Mit 69 Prozent erzielte die 45-jährige Europaabgeordnete ein schmeichelhaftes Ergebnis.

"Es hat keinen Sinn, dagegen zu sein, dass das Wasser die Elbe runter fließt", hatte der Dresdner SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle die Stimmung beschrieben: So kurz vor der Bundestagswahl durfte es keine Kritik an oder einen Gegenkandidaten zu der ungeliebten Vorsitzenden geben. So blieb alles beim Alten auf dem Landesparteitag im Zwickauer Ballsaal "Neue Welt". Es gab keine offene Kritik an der Vorsitzenden, die als farblos gilt, angeblich zu wenig in Sachsen ist und sich deshalb kaum um ihren Landesverband kümmert.

Stellvertreter Rolf Schwanitz, der glanzlose Ostbeauftragte, wurde brav wiedergewählt. Martin Dulig, der sächsische Juso-Chef, unterlag bei dem Versuch, Schwanitz aus dem Vorstand zu kippen.

Der Zeitpunkt des Parteitages war geschickt gewählt. Der Kanzler kämpft in Berlin um seine Macht, da müssen sächsische Provinzrevolutionen verschoben werden. Das habe "die Krehl aus Feigheit" so kurz vor der Wahl gemacht, hieß es in den eigenen Reihen. Wie die sächsische SPD jemals aus ihrem Tief kommen will, bleibt weiter ein Rätsel. Bei den Landtagswahlen wurde sie stets zwischen CDU und PDS klein gerieben und landete 1999 bei zehn Prozent. Bei Bundestagswahlen ging es ihr stets etwas besser. Aber nun laufen ihr offensichtlich auch noch die Mitglieder davon. In der Partei kursiert die Studie eines Berliner Politikwissenschaftlers.

Danach ist Sachsens SPD der einzige ostdeutsche Landesverband, der zwischen 1990 und 2000 kleiner geworden ist. In den vergangenen beiden Jahren muss es die Genossen besonders schlimm erwischt haben: Offiziell liegt die Mitgliederzahl noch bei 5000, inoffiziell seien es höchstens noch 4600. Wenn dann noch Prominente aussteigen, wie der Leipziger Regierungspräsident Walter Steinbach, ist es besonders trübe: Es sei nur eine Frage der Zeit, wann er in die CDU eintrete, heißt es.

Bleibt noch Wolfgang Tiefensee, der populäre Leipziger Oberbürgermeister und heimliche Hoffnungsträger der SPD für die Landtagswahl 2004. Ob Tiefensee allerdings antritt, entscheidet sich frühestens im nächsten Jahr.
(Bernhard Honnigfort)