Karl Nolle, MdL
Neues Deutschland, 14.02.2003
Ein Jahr für die Affären-Aufklärung
Sachsenring-Untersuchungsausschuss arbeitet unter Zeitdruck
DRESDEN. Der Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtags zur Sachsenring-Affäre arbeitet unter Zeitdruck. Ein Jahr bleibt für Beweisaufnahme und Zeugenanhörung. Ob dies angesichts der Verfahrensregeln gelingt, ist fraglich.
Momentan wird auf die Akten gewartet. In Staatskanzlei, Wirtschafts-und Finanzministerium stöbern die Archivare in den Ablagen; auch in Zwickau sollen Bündel geschnürt werden. Der Untersuchungsausschuss zur Affäre um Fördergelder an die Sachsenring AG und die Finanzierung einer regierungsnahen Imagekampagne im Jahr1999 kommt ins Rollen. Staatliche Zuwendungen an den Zwickauer Automobilzulieferer waren damals kurzfristig um vier auf 29 Millionen Mark erhöht worden. Der Verdacht: Über den Umweg der Unternehmenskassen wurde ein Werbefeldzug finanziert, der Wählerstimmen für die CDU bringen sollte.
Viel Zeit hat der Ausschuss nicht. In anderthalb Jahren stehen die nächsten Landtagswahlen ins Haus; die letzte Sitzung des jetzigen Parlaments dürfte im Juni 2004 stattfinden. Wenn bis dahin ein abschließender Bericht erarbeitet sein soll, müssen Beweisaufnahme und Zeugenvernehmung bis Februar abgeschlossen sein, sagt André Hahn, parlamentarischer Geschäftsführer der PDS-Fraktion. Das käme einer Untersuchung im Express- Tempo gleich. Der Paunsdorf-Ausschuss, mit dem Licht in Immobiliengeschäfte des Freistaates mit einem Freund des ehemaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf gebracht werden soll, hat sich im Sommer 2000 konstituiert – und arbeitet noch immer.
Auf das Tempo der Arbeit im jetzt gebildeten Gremium hat Hahn einigen Einfluss: Der 39-jährige PDS-Mann, der auch an der Paunsdorf-Untersuchung beteiligt ist, leitet den Sachsenring-Ausschuss. Zu Hoffnung auf Tempo berechtigt der Umstand, dass die Verfahrensregeln einstimmig beschlossen wurden. Die Mitglieder haben sich dabei unter anderem geeinigt, dass auf Akten, die für die Ausschussarbeit kopiert werden, ihr Nutzer vermerkt wird – eine Lehre aus dem Paunsdorf- Ausschuss, bei dem wichtige Dokumente im Internet aufgetaucht waren.
Unverändert problematisch bleibt jedoch das Procedere zur Vorladung von Zeugen. Diese wird mehrheitlich beschlossen. Damit liegt es in der Hand der CDU-Mehrheit, durch die Ladung zahlreicher nachrangiger Beteiligter die Vernehmung wichtiger Zeugen der Opposition zu blockieren. Ein Antrag des SPD-Abgeordneten Karl Nolle, künftig Zeugen abhängig von der Fraktionsstärke reihum bestimmen zu dürfen, scheiterte. Daher ist offen, in welcher Reihenfolge die damals Verantwortlichen ab April vor dem Gremium gehört werden. Hahn plädiert dafür, zunächst die Hauptbeteiligten zu befragen: Ulf Rittinghaus, einst Vorstand der heute insolventen Sachsenring AG, sowie Ex- Wirtschaftsminister Kajo Schommer. Als Zeugen im Gespräch sind zudem Georg Milbradt, damals Finanzminister und heute Regierungschef, der frühere Regierungssprecher Michael Sagurna sowie Viola Winkler, Chefin einer Dresdner Beratungsfirma und Frontfrau der umstrittenen Imagekampagne „Sachsen für Sachsen“.
Schneller Aufklärung im Wege stehen dürfte vor allem, dass CDU-Mehrheit und Opposition mit dem Ausschuss gegensätzliche Ziele verfolgen. Die Mehrheitsfraktion sieht die Vorwürfe von Rittinghaus als bereits weitgehend entkräftet an. Nachdem die Anschuldigungen publik geworden waren, hatte es eine Dokumentenschlacht sowie einen juristischen Schlagabtausch zwischen Schommer und Rittinghaus gegeben, dem einige Aussagen vorläufig verboten wurden. Klaus Leroff, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, spricht daher inzwischen von einem „Rittinghaus-Ausschuss“.
Für die Opposition besteht dagegen nach wie vor der „dringende Verdacht“, dass staatliche Fördergelder über den Umweg der Sachsenring AG an eine CDUnahe Wahlkampagne weitergeleitet wurden. Wenn dem so wäre, sagt der PDS-Abgeordnete Hahn, dann „wäre das schlimmer als bei Helmut Kohl“. Dieser habe private Spenden vertuscht. „Hier aber würde es sich um öffentliche Gelder handeln.“
(Hendrik Lasch)