Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, Rödertal, 11.04.2003

Marshall-Plan für Sachsen als Wirtschafts-Motor

SPD-Schwergewicht Karl Nolle in Radeberg zu Gast
 

Karl Nolle. Foto: Archiv/Michael Trapp

RADEBERG. Kurt Biedenkopf und Kajo Schommer werden am Mittwochabend die Ohren geklungen haben. Denn der einstige sächsische Regierungs-Chef und sein Ex-Wirtschaftsminister bekamen vom SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle so richtig ihr Fett weg. Nolle war am Mittwoch Gast des Radeberger Gesprächs, zu dem die ortsansässige SPD in die Weinstube am Markt eingeladen hatte. Thema: Wirtschaftsförderung. Und mit Nolle war ein Mann gekommen, der sich spürbar auskennt, wenn‘s um die Wirtschafts-Probleme geht. Denn er ist selbst Unternehmer, führt in Dresden eine Druckerei mit 70 Angestellten. Und so weiß er genau um die Nöte des sächsischen Mittelstands, „dem es alles andere als gut geht!“ Schuld daran, so der SPD-Mann, sei einerseits die Zerschlagung der großen Industriebetriebe im Osten Deutschlands nach der Wende und die Kappung der Wirtschaftsbeziehungen mit den einstigen Ost-Blockstaaten. Andererseits habe aber auch „die verfehlte Wirtschaftspolitik der Regierung Biedenkopf in Sachsen“ ihren Teil zur schlechten Entwicklung beigetragen. „Alleine mit den so viel gepriesenen Leuchttürmen ist es eben nicht getan“, schimpfte Nolle auf die Ansicht, dass die Unterstützung von großen Ansiedlungen wie VW, AMD und Siemens in Dresden, eine Ausstrahlung bis weit ins Umland schaffen könnte. „Um das Problem für Sachsen zu lösen, bräuchten wir noch hundert solcher Leuchttürme, das zeigt doch, dass es unrealistisch ist, allein darauf zu setzen.“ Ausweg? „Der Mittelstand muss genauso gefördert werden!“

Nun entwickelte die Sachsen-SPD unter maßgeblicher Federführung Nolles ein eigenes Wirtschafts-Konzept. Das stellte er am Mittwoch den Radebergern vor. Und darin kommt auch die Kritik an den Unternehmern nicht zu kurz. Nolle: „Die müssen begreifen, dass das wichtigste Kapital im Betrieb nicht die Maschinen, sondern die Menschen sind!“ Sozialer müsse es zugehen, und „die Angestellten müssen auch Löhne bekommen, von denen sie leben können.“ Genau das sei aber das Problem in Sachsen – es mangelt den Unternehmen an Geld. „Also muss der Staat umdenken und statt in Lohnersatzleistungen lieber in Lohnzusatzleistungen investieren“, erklärte Nolle. Arbeit gebe es genug, nur die meisten Betriebe können sich die Arbeiter nicht leisten. Also sitzen die Arbeiter auf dem Arbeitsamt und bekommen Geld für Nichtarbeit. „Würde man aber den Unternehmen stärker Zuschüsse für Löhne zahlen, würden diese Arbeiter in Arbeit kommen!“ Und auch wieder Steuern zahlen... Die Förder-Politik müsse sich also ändern. Auch ein Marketingkonzept zum Beispiel müsse unterstützt werden. „Produkte können nur verkauft werden, wenn sie auch beworben werden.“ Entbürokratisierung der Fördermittel-Verfahren, war das nächste Stichwort. „Sieben Tage müsste es dauern, bis ein Unternehmen weiß, ob Fördermittel fließen“, forderte Nolle. Tatsächlich würden Anträge sieben Monate liegen...

Und dann kam auch noch der gute alte Marshall-Plan zu neuen Ehren. „Das war eine kluge Sache“, erläuterte Nolle. „Denn das Geld wurde nicht verschenkt, sondern die Unternehmen mussten es zurückgeben, sobald sie es sich leisten konnten.“ Und so konnte das Geld mehrmals helfen. „Genauso muss Förderung funktionieren!“

In der Diskussion forderte der Chef des Radeberger Gewerbevereins Detlev Dauphin ein härteres Vorgehen gegen die schlechte Zahlungsmoral. Nolle zustimmend: „Die Gerichte müssen schneller reagieren!“ Und Carl Schelle, Goldschmied, ärgerte sich über das Aussterben der Innenstädte. „Es wachsen nur noch die großen Zentren.“ Dort finde man allerdings fast ausschließlich Filialen großer Ketten, die ihre Steuern nur an ihren Stammsitz zahlen. „Es muss eine Filialisten-Steuer her“, forderte Schelle. Und Nolle nahm dies als Anregung aus Radeberg mit.
(Von Jens Fritzsche)