Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 18.24 Uhr, 19.05.2003

Es gab gar keinen Wein

Ex-Sachenring-Chef Rittinghaus erneuerte vor Untersuchungsausschuss Vorwürfe gegen frühere Staatsregierung
 
Dresden (ddp-lsc). Der ehemalige Sachsenring-Chef Ulf Rittinghaus rückt nicht ab von seinen Vorwürfen gegen Mitglieder der früheren Staatsregierung. Bei seiner mehrstündigen Zeugenvernehmung vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags bekräftigte er am Montag frühere Aussagen und präsentierte zudem neue Unterlagen. Die Opposition von SPD und PDS sprach anschließend sogar von erweiterten Anschuldigungen.

Rittinghaus, der als erster Zeuge des Untersuchungsausschusses geladen war, bekräftigte vor dem Gremium, seine eidesstattliche Versicherung - die die Affäre Ende vergangenen Jahres ins Rollen gebracht hatte - sei «korrekt». Darin hatte der 47-Jährige

Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) beschuldigt, ihm im Gegenzug für die Finanzierung einer verkappten CDU-Kampagne vor der Landtagswahl 1999 erhöhte staatliche Beihilfen für den Kauf der staatseigenen Dresdner Chipfabrik «Zentrum für Mikroelektronik» (ZMD) versprochen zu haben.

Sachsenring habe knapp drei Millionen Mark (rund 1,53 Millionen Euro) für die Kampagne «Sachsen für Sachsen» ausgegeben, bei der es sich offiziell um eine partei- und regierungsunabhängige Initiative, Rittinghaus zufolge jedoch um eine indirekte Wahlkampfunterstützung der CDU-Regierung gehandelt haben soll. Während der Kampagne habe es «sehr viele Telefonate» zwischen ihm und dem damaligen Regierungssprecher Michael Sagurna gegeben, fügte Rittinghaus hinzu.

Seiner Ansicht nach gibt es einen zwingenden Zusammenhang zwischen der Sachsenring-Spende und einem plötzlich um 4 auf 29 Millionen Mark aufgestockten Zuschuss für ZMD. Rittinghaus widersprach der Version der Staatsregierung, die die erhöhte Summe mit einem zurück zu zahlenden Darlehen in gleicher Höhe begründet. Diese Option sei zu diesem Zeitpunkt bereits vom Tisch gewesen. «Der einzige Grund» für die Erhöhung der Summe sei vielmehr die Bereitschaft von Sachsenring zur Finanzierung der Sachsen-Kampagne, bekräftigte Rittinghaus.

Schommers angebliches Angebot habe er als Nötigung empfunden, «in Weinlaune» habe der Minister es jedenfalls nicht unterbreitet. «Es hat gar keinen Wein gegeben», versicherte Rittinghaus. Schließlich habe er jedoch mit Blick auf vermeintliche ZMD-Kaufkonkurrenten eingewilligt. Sachsenring habe ZMD unbedingt kaufen wollen.

Der Ex-Chef bestritt zugleich, mit dem Gang an die Öffentlichkeit einen ehemaligen Minister «in die Pfanne hauen» zu wollen. Vielmehr gehe es um «Zusammenhänge, die in diesem Land eine ganz andere Tragweite haben und die der Aufklärung bedürfen», sagte Rittinghaus. Sich selbst hielt er während der Vernehmung zugute, im Freistaat Arbeitsplätze geschaffen und gemeinsam mit seinem Bruder 54 Millionen Mark investiert zu haben.

PDS und SPD nahmen die Anwürfe von Rittinghaus indes als Beleg für den dringenden Aufklärungsbedarf. Sie gingen weit über das hinaus, was der Öffentlichkeit bisher bekannt geworden sei, sagte SPD-Obmann Karl Nolle. Wie PDS-Obmann Klaus Tischendorf sprach auch Nolle

Ex-Regierungssprecher Sagurna eine zentrale in der Affäre Rolle zu. Dieser müsse ebenso wie Schommer baldmöglichst vom Ausschuss gehört werden, forderte Tischendorf.

(Quellen: Rittinghaus vor Untersuchungsausschuss; Tischendorf in Pressemitteilung; Nolle auf Anfrage)
Von Tino Moritz