Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 26.05.2003

Sozialministerin in gefährdeter Hanglage

Christine Weber bestätigt: Fördergelder für Hochwasser-Schäden beantragt
 
DRESDEN/ZSCHOPAU. Als die Flut über Sachsen hereinbrach, schien Zschopaus prominenteste Bürgerin das Schicksal vieler Leid geprüfter Menschen erspart geblieben zu sein. Christine Weber wohnt am Birkberg, in schöner Hanglage über der Stadt am gleichnamigen Fluss. Doch die Sozialministerin ist ein Katastrophen-Opfer. Das bestätigte sie auf Anfrage der „Freien Presse". Sie habe wie viele andere betroffene Bürger nach der Hochwasser-Richtlinie Gelder beantragt. In der Nachbarschaft, die von den Naturgewalten verschont blieb, löst das Verwunderung aus.

„Die Instandsetzungsarbeiten dauern noch an", teilte die flutgeschädigte CDU-Politikerin über ihr Ministerium mit. Die Antwort auf die Frage nach der Höhe des Schadens und der bewilligten Mittel ließ sie offen. „Für die Reparatur der entstandenen Schäden wurden mehrere Firmen beauftragt", berichtet Weber knapp zehn Monate nach dem Schadenstag. 1,60 Meter hoch hatte bei Wissenschaftsminister Matthias Rößler im August 2002 das Elbe-Hochwasser im Wohnzimmer gestanden. Webers Kabinettskollege hat die Schäden, mehr als 40.000 Euro und mit Schadensgutachten nachgewiesen, längst beheben lassen.

Kein Name aus der Rasmussen-Siedlung ist auf einer Liste vom Hochwasser betroffener Grundstücke in der Stadt Zschopau enthalten, die der Redaktion vorliegt. Beim Landratsamt dagegen erhielt ein Kommunalpolitiker bei Nachfragen die Bestätigung für einen Antrag der Ministerin. Die Liste der Stadt weist lediglich geschädigte Häuser in der Unteren Mühlstraße, der Johannisstraße, Spinnereistraße, Bomgraben, Kupferwaage, In der Aue, In der Sandgrube, Am Zweigwerkufer und in der Krumhermersdorfer Straße aus. Hoch über der Stadt, Am Birkberg und Am Hang, staunt man über den Lauf des Wassers. Carmen Schönfeld, Webers unmittelbare Nachbarin, weiß lediglich vom Wassereinbruch bei einem Anlieger. Dieser Fall sei aber mit Abpumpen rasch gelöst worden.

Von “Raffgier” und “fehlender Sensibilität einer Doppelverdienerin mit einem Jahresgehalt von rund 150.000 Euro” spricht der Dresdner Landtagsabgeordnete Karl Nolle. Auch er hatte von Zschopauer Bürgern Hinweise auf den fraglichen Förderfall erhalten. “Frau Weber will offensichtlich mit Fluthilfe-Geldern die fällige Sanierung ihres Hauses finanzieren”, wirft Nolle der Sozialministerin “unsoziales Verhalten zulasten wirklich Hilfsbedürftiger” vor.

Ausweichend wie bei der Inanspruchnahme von Fördergeldern antwortet Weber auch, wenn es um die Nutzung ihres Dienstwagens für private Zwecke und den Einsatz ihres Fahrers Denny Richter geht. Auf die Frage, ob die Ministerin während ihrer längeren Krankschreibung am 13. Februar eine Privatfahrt nach Kassel unternommen habe und im Fahrtenbuch festhalten ließ, lautet die Antwort: “Ja. Ein lebensbedrohlich Erkrankter, von der DDR politisch Verfolgter, mit dem ich schon lange in Kontakt stehe, hat mich um seinen Besuch gebeten.” Vielsagend die Erklärung zur Frage, ob der Fahrer am Privathaus zu Gartenarbeiten herangezogen wurde: “Mein Fahrer hat und wird auch weiterhin den Stellplatz meines Dienst-Kfz von Schnee und Unrat freihalten.”

In Regierungskreisen wachsen mittlerweile Zweifel, ob Weber noch lange Dienstwagen-berechtigt sein wird. Die Ministerin habe ihren Vertrauensvorschuss bei Ministerpräsident Milbradt weitgehend verspielt, heißt es. In der Regierung falle sie nicht durch strategische Arbeit oder wegweisende Aussagen Sachsens zu den drängenden Reformen bei Rente und Gesundheit auf. Stattdessen nerve sie Kabinettskollegen wie mit einer Intervention bei Innenminister Horst Rasch. Rasch sollte einen Beamten der Polizeidirektion Chemnitz, mit dem Weber als Zeugin eines Unfalls telefonierte, zurechtweisen. Weber gibt den Disput mit dem Polizisten zu, lässt aber die Antwort auf ihre Eingabe offen. Michael Antoni, Staatssekretär im Innenministerium, konnte sich dagegen auf Anhieb an den Brief der Ministerin erinnern. “Frau Weber hat ihn inzwischen zurückgezogen.”

Das geschah möglicherweise im Anschluss an ein Vier-Augen-Gespräch beim Ministerpräsidenten. Milbradt soll sie “zusammengefaltet” haben, erzählt man sich im Sozialministerium. Er könne für ihr weiteres Schicksal als Ministerin nicht mehr garantieren, wenn sie sich nicht bemühe, ihr Verhältnis zu Staatssekretär Albin Nees in Ordnung zu bringen. Weber bestätigt, mit Milbradt zusammengetroffen zu sein und auch über “Fragen des Hauses und personelle Fragen” gesprochen zu haben. Eine Antwort auf die Frage, ob Milbradt sie eindringlich aufgefordert habe, ihr Verhalten, vor allem gegenüber Nees, zu ändern, bleibt sie schuldig.


Übersteigertes Misstrauen und die Furcht, von Vertrauten ihres Vorgängers Hans Geisler übergangen zu werden, präge den Umgang Webers mit ihrem Personal. “Wie sie mit Menschen umgeht, ist eine Katastrophe”, sagt ein Regierungsmitglied. In Scherben liege das, was Geisler aufgebaut habe. Mitarbeiter des Sozialministeriums klagen über “tyrannische Züge” ihrer Vorgesetzten. Vor Parteifreunden würden sie herabgesetzt, im eigenen Haus lautstark eingeschüchtert. Juristen anderer Ministerien sollen sich inzwischen sträuben, im Rahmen eines routinemäßigen Austauschs ins Sozialministerium versetzt zu werden. Webers brachialer Arbeitsstil macht auch vor einem Mann nicht Halt, der in Umgangsformen und Fachkompetenz der krasse Gegenentwurf zu ihr ist: Staatssekretär Nees, von Milbradt zu Webers Unterstützung reaktiviert, fühlt seine Loyalität inzwischen nahezu überstrapaziert.

Weber begehe zwar keine gravierenden fachlichen Fehler, meinen Regierungskreise, denn davor bewähre sie ein “Raubtier-Instinkt”, der ihr sicherer Lotse auf dem erstaunlichen Karriereweg von der Zahnarzthelferin bis zur Chefin eines bedeutenden Ministeriums gewesen sei. Doch sie spüre offenbar das drohende Ende ihrer Laufbahn. Beobachter erkennen wachsende Unsicherheit. Landtagsdebatten scheut sie, Presse-Auftritte erst recht. Den CDU-Vorsitz im Mittleren Erzgebirgskreis hat sie bereits verloren. Mit emotional gesteuerten Reaktionen, die sie nach außen als ihre Stärke beschreibt, wehrt sie sich gegen den drohenden Absturz. So berichten Insider von einem Schreiben an den Ministerpräsidenten, in dem sie sich über eine “Zwei-Klassen-Behandlung” beschwerte. Die Vorzeige-Dame war tödlich beleidigt über eine, aus ihrer Sicht, nicht standesgemäße Positionierung bei einem Staatsempfang.
(Hubert Kemper)