Karl Nolle, MdL
Lausitzer Rundschau, 19.06.2003
Bei Milbradts Krankenbesuch reicht Weber den Rücktritt ein
Sozialministerin gibt dafür gesundheitliche Gründe an
Sachsens Sozialministerin Christine Weber (CDU) ist zurückgetreten. Zur Erklärung gab sie gesundheitliche Gründe an, sagte Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) gestern in Dresden.
Nicht viele waren eingeweiht, als Regierungschef Georg Milbradt (CDU) am Dienstagabend zu einem Krankenbesuch der besonderen Art fuhr. In einer geheim gehaltenen Klinik führte der Ministerpräsident ein persönliches Gespräch mit der angeschlagenen Christine Weber, die dort einen seelischen Kollaps auskuriert. Nach den Fluthilfe-Vorwürfen und anderen Affärchen wollte Milbradt mit der Sozialministerin über ihren möglichen Rückzug aus dem Politikgeschäft reden.
Die beiden wurden sich scheinbar einig: Weber, so verkündete der Regierungschef vor der Landtagsfraktion und der Presse, habe verzichtet und ihm ein Rücktritts-Schreiben überreicht. Sie sehe keine Möglichkeit mehr, ihren Aufgaben als Kabinettsmitglied nachzukommen. „Wir haben ein Gespräch geführt, aber es war ihre Entscheidung. Sie ist durchaus in der Lage, ihre Situation zu beurteilen“, erklärte Milbradt auf Nachfragen, wie weit er selbst die Ministerin zum Rücktritt drängte.
Der Rückzug aus dem Amt lag seit Tagen in der Luft. Bereits am Pfingstsonntag hatte die 54-Jährige einen Nervenzusammenbruch erlitten und befindet sich seither in stationärer, psychiatrischer Behandlung. Sie sei „akut suizidgefährdet“ und leide an einer „schweren depressiven Episode“, hieß es in einem ärztlichen Bulletin.
Milbradts Schilderung nach befindet sich Frau Weber nach wie vor in keiner guten Verfassung. Nach Einschätzung der Ärzte sei ihr Zustand ernst. Er hoffe, dass sie nun die nötige Ruhe bekomme und ihr seelisches Gleichgewicht wiederfinde. „Frau Weber war ungeheurem Druck ausgesetzt“, so Milbradt. Die Ministerin stand wochenlang in den Schlagzeilen, seit bekannt wurde, dass sie sich für Regenwasser-Schäden an ihrem Privathaus im Erzgebirge zweimal Fluthilfegelder von insgesamt 17 300 Euro hatte ausreichen lassen. Zwar zahlte sie das Geld zurück, obwohl es keine rechtliche Beanstandung gab. Doch riss die Kritik nicht mehr ab, zumal neue Vorwürfe hinzukamen.
Das Sozialministerium führt vorerst weiterhin Staatssekretär Albin Nees. Eine Nachfolgerin für den Ministerposten wurde aber – schon aus Anstandsgründen – gestern noch nicht benannt. Allerdings werden bereits die Leipziger Landtagsabgeordnete Christine Clauß sowie ihre Zwickauer Kollegin Kerstin Nicolaus als Favoritinnen gehandelt.
Offen blieb vorerst auch die umstrittene Pensionsregelung für die scheidende Ministerin. Am 27. Juli hätte Weber die Frist für ein lebenslanges Ruhegehalt als Ministerin erhalten. Diese Chance scheint nun vertan. Doch ist die besondere Alterssicherung auch dann möglich, wenn sie dauerhaft erkrankt ist. Dazu könne er jedoch noch nichts sagen, betonte Milbradt. „Die Zeche zahlt mal wieder der Bürger“, schimpfte trotzdem der Bund der Steuerzahler.
Aus Sicht der Opposition kommt die Entscheidung zum Rücktritt zu spät und wird weitere Kreise ziehen. PDS-Fraktionschef Peter Porsch meinte, Milbradt habe mit seiner ersten Besatzung Schiffbruch erlitten und komme um eine gründliche Kabinettsumbildung nicht herum. Auch SPD-Chef Thomas Jurk stellte fest: „Der Zerfall des Übergangskabinetts Milbradt ist in vollem Gange.“
Zur Person Christine Weber
Christine Weber kam nach der Wende in die Politik. Zunächst Vize-Landrätin in Zschopau, wurde sie 1994 CDU-Landtagsabgeordnete. Im Oktober ’99 ernannte sie Ex-Regierungschef Kurt Biedenkopf zur Gleichstellungsministerin. Bald wurde sie jedoch dessen schärfste Kritikerin. Bei der Kabinettsumbildung im Mai 2002 beförderte Milbradt sie ins Sozial- und Gesundheitsressort. Die Mutter von drei Kinder hat schon einen schweren, persönlichen Schicksalsschlag hinter sich. 1999 verlor sie ihren Ehemann durch einen Selbstmord.
(von sven heitkamp)