Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 10.07.2003

Der Wink mit dem Bündel Geldscheinen

Die Anti-Korruptionsgesellschaft „Transparency“ fordert mehr Durchsichtigkeit in den Verwaltungen - Baubranche besonders anfällig
 
Chemnitz. Es beginnt mit kleinen Nettigkeiten. Ein Abendessen, der gemeinsame Besuch eines Fußballspiels. Später ein wenig Nachbarschaftshilfe. Der Balkon müsste mal ausgebessert werden. „Das sind Strukturen, die sich ganz allmählich bilden - und die Bedienstete erpressbar machen“, beschreibt Hansjörg Elshorst die Entstehung von Filz und Korruption. Elshorst ist Vorsitzender der deutschen Abteilung der Anti-Korruptions-Gesellschaft „Transparency“.

Deutschland, ein Land, das einmal für Ordnung und Disziplin stand, steht auf, einer internationalen Rangliste der Korruption kurz vor Botswana. Staatsanwälte, Kriminalisten und Bürgerrechtler ahnen: Es wird gekungelt, bestochen und hintertrieben wie nie zuvor. Die Bielefelder Rechtswissenschaftlerin Britta Bannenberg stellt in einer Studie fest, dass Bestechung oder der Griff in die Firmenkasse nahezu alle Wirtschaftszweige erfasst hat. Transparency hat einen Schmiergeldzahler-Index nach Branchen aufgestellt. Darin liegt die Baubranche noch vor den Waffenhändlern. Es folgen die Branchen Gas und Öl, Immobilien und Sachanlagen, Telekommunikation, Energie, Bergbau sowie Transport und Lagerwesen. Geschmiert wird der öffentliche Bereich, also Entscheidungsträger in Städten oder Landkreisen, aber auch auf der Länder- und Bundesebene. Noch häufiger bestechen Firmen untereinander. „Das hat stark zugenommen“, so Elshorst.

Vor etwa zehn Jahren hat Transparency mit dem Kampf gegen die Korruption begonnen. Anfangs richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf Firmen, die im Ausland Geschäfte betreiben. Seitdem hat sich nach Elshorst vieles zum Besseren gewandelt, vor allem bei größeren Unternehmen. Korruption wird häufiger und härter geahndet als früher. „Unzufrieden sind wir bei kleineren und mittelgroßen Betrieben im kommunalen Bereich“, so Elshorst. „Da hat sich gar nichts geändert.“ Um etwas zu ändern, fordert Transparency, wie der Name schon sagt, mehr Transparenz. Viele Verwaltungen in Deutschland arbeiteten noch wie zu Kaisers Zeiten. „Solange es heißt: Es geht euch nichts an, was wir machen, ihr müsst uns schon vertrauen“, bliebe alles beim Alten, vermutet Elshorst. Derzeit habe der Bürger nur Recht auf Akteneinsicht bei persönlicher Betroffenheit. Der Anti-Korruptionskämpfer fordert daher ein so genanntes Informationsfreiheitsgesetz. „Wenn man wissen will, warum eine Kläranlage überdimensioniert ist, dann kann man zur Verwaltung gehen und sagen: Ich hätte gerne Akteneinsicht.“ Dazu gehörten dann auch die Protokolle der Vergabesitzung.

Deutschland sei in dieser Hinsicht ein weißer Fleck auf der Landkarte der entwickelten Industrieländer. Beispielhaft dagegen seien die skandinavischen Länder. Dort sei es für die Bürger schon seit langem selbstverständlich, in die Akten zu blicken. Dies ist sicherlich nicht der einzige, wohl aber ein Grund, warum diese Länder auf der Korruptions-Hitliste sehr viel besser dastehen als Deutschland und Botswana.

Ein weiteres Mittel, Korruption teuer und schwierig zu machen, wäre ein Anti-Korruptionsregister. Firmen, die nachweislich geschmiert hätten, müssten für eine bestimmte Zeit von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. Außerdem müssten Beamte verpflichtet werden, Verdachtsfälle anzuzeigen - eine Regelung, die sich in Frankreich schon bewährt hat.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamten schätzt, dass auf einen entdeckten Korruptionsfall 100 unentdeckte kommen. Demnach wird in Deutschland rund 400.000 Mal im Jahr erfolgreich mit Geldscheinen gewinkt. Einige wenige profitieren davon, und sehr, sehr vielen Menschen schadet es Materiell gesehen. Sehr viel größer ist aber womöglich der ideelle Schaden, der der Gesellschaft entsteht. „Korruption untergräbt die Vertrauensbasis des öffentlichen Dienstes und schwächt die Demokratie“, ist Anke Martiny von Transparency überzeugt. Wo aber das Vertrauen in Gesetz und Recht fehlten, „identifizieren sich die Bürger nicht mit Staat und Gesellschaft, in denen sie leben; deshalb schützen sie sie nicht, sondern wirken an deren Zerstörung mit.“
(Mze)