Karl Nolle, MdL
Freie Presse, 16.07.2003
Bürgermeister Baumanns Filzwarenladen
Zschopaus Oberbürgermeister nahm von Chemnitzer Baufirma Gelder für Wahlkampf an - Haftbefehl gegen bevorzugten Notar der Stadt
Zschopau. Hat sich der Oberbürgermeister von Zschopau im Filzgewirk verheddert? Tritt er zurück? Das interessiert seit Wochen viele Zschopauer Bürger. Denn die Tatsache, dass OB Klaus Baumann (CDU) der inzwischen zurückgetretenen Ministerin Christine Weber (CDU) zu Fluthilfe-Geldern verholfen hat, war offenbar nur eine von vielen verfilzten Entscheidungen des OB.
Ein Dreh- und Angelpunkt von Baumanns Aktivitäten war in der Vergangenheit die Zschopauer Erschließung-Sanierung-Entwicklung GmbH, kurz Zeseg genannt. Hier war die Stadt Mehrheitseigner. 1998 kaufte die Zeseg vom Stadtrat Bert Fröbe, der damals dem Bund Freier Wähler angehörte, für rund 950.000 D-Mark die Stadthalle. Fröbe, so kann man einem Bericht des staatlichen Rechnungsprüfungsamtes Zwickau vom 7. Februar 2002 entnehmen, stand vor der Pleite. Mit dem Kauf kam die städtische Firma einer Zwangsversteigerung zuvor - und Baumann seinem Parteikollegen Fröbe zu Hilfe. Der Kauf durch die Zeseg wurde finanziert von der Sparkasse, ein Gutachten über den Wert der Immobilie nicht erstellt. Interessant ist in diesem Zusammenhang zu wissen, dass Fröbe die Stadthalle Jahre zuvor von der Treuhand für nur 420.000 Mark gekauft und seither kaum investiert hatte.
Nachdem nun die Zeseg auf der unrentablen Stadthalle saß, entschloss sich Baumann wieder zu handeln. Zu helfen, sagt er. Er schloss als Stadtoberhaupt ohne Wissen und ohne die Zustimmung durch den Stadtrat und die Kommunalaufsicht mit der Zeseg im Februar 1999 einen 25-Jahrespachtvertrag ab. Die Stadt zahlte inzwischen über 350.000 Euro Pacht aus städtischen Haushaltsmitteln, obwohl zu keinem Zeitpunkt ein verpachtungsfähiger Zustand der Stadthalle erreicht war. „Wir haben sowohl von den Konditionen im Kauf- wie im Pachtvertrag erst im Nachhinein erfahren", bestätigt der Vorsitzende der Stadtratsfraktion des Bundes Freier Wähler, Frieder Meyer.
Pikant: Ein Großteil der Verträge zwischen Stadt und Zeseg wurde von dem in Zschopau wirkenden Notar Georg M. Piela beglaubigt. Piela allerdings ist, wie das Justizministerium in Dresden bestätigte, Anfang des Jahres des Amtes enthoben worden. Für eine derartige Amtsenthebung können mehrere Gründe ausschlaggebend sein. Das Justizministerium gab keine konkrete Auskunft zum Fall Piela, machte aber allgemeine Angaben. Ein Notar kann des Amtes enthoben werden, wenn er entweder pleite, krank oder unzuverlässig ist. Piela, so bestätigte die Geschäftsstelle Vollstreckung des Amtsgerichtes Marienberg, ist in der Schuldnerkartei eingetragen und gegen ihn liegt ein Haftbefehl vor. Er ist abgetaucht.
Das Amtsgericht Marienberg bestätigte, dass auch gegen Baumann Vollstreckungsverfahren anhängig sind. Das Gericht dementierte nicht, dass gegen Baumann als Präsident des Zschopauer Fußballclubs bereits ein Zwangsgeld verhängt worden ist. Grund: Der Verein sei der Rechnungslegungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Baumann räumte gestern im Gespräch mit der „Freien Presse“ auch ein, privat in finanziellen Schwierigkeiten zu sein. „Aber das muss doch die Öffentlichkeit nicht interessieren", meinte er.
„Ein Mann, der für 100 Euro bestechlich ist, kann nicht Oberhaupt einer Stadt sein. Er kann doch nicht eine Verhandlung mit Bau- oder anderen Firmen führen", hatte der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle am Montag gesagt, als er sich in Zschopau bei einer Veranstaltung dem Thema Politfilz widmete.
Wie sehr Baumann finanziell auf Hilfe angewiesen ist, zeigt ein Schreiben, das er nach der gewonnenen Oberbürgermeisterwahl am 12. Juli 2001 an den Geschäftsführer einer Chemnitzer Baufirma sandte. „Für Ihre Unterstützung anlässlich meiner Wiederwahl zum OB ... möchte ich mich ganz herzlich bedanken. ... und versichere Ihnen, dass wir auch in Zukunft sehr eng zusammenarbeiten werden." Baumann hatte allen Grund zur Dankbarkeit. Denn die Baufirma hatte am 27. Juni 2001 genau 8500 D-Mark dem Oberbürgermeister für dessen Wahlkampf zur Verfügung gestellt.
Baumann gestern zur „Freien Presse“: „Ich habe meine Wahlkämpfe immer aus meiner eigenen Tasche bezahlt. Hilfe von Firmen für den Wahlkampf habe ich zu keinem Zeitpunkt angenommen!"
Der „Freien Presse" liegt nicht nur eine Kopie des Dankschreibens von Baumann, sondern auch eine Kopie des Einzahlungsbelegs auf Baumanns Konto vor.
(Eva Prase)