Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland - Online, 02.05.2003

»Zersetzung« eines unliebsamen Direktors

Schwere Vorwürfe gegen Rektor der Dresdner Technischen Universität
 
Sachsens Datenschützer erhob schwere Vorwürfe gegen den Rektor der Dresdner TU. Dieser soll einen »Zersetzungsplan« gegen den früheren Direktor des Herzzentrums entworfen haben.

Zersetzung – dieser Begriff hat in der politischen Sphäre eine feste und bittere Bedeutung. Es handle sich um eine »operative Methode« zur »wirksamen Bekämpfung subversiver Tätigkeit«, heißt es im Handbuch des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Mit ihr werde Einfluss auf »feindlich-negative Personen« sowie ihre Einstellungen und Überzeugungen genommen, damit diese »erschüttert und allmählich verändert« werden. Im Klartext: Die Betroffenen wurden diskreditiert, verleumdet und unter Druck gesetzt.

Bezeichnenderweise verwendet der sächsische Datenschützer Thomas Giesen solchen Begriff, um einen Brief zu charakterisieren, den der Rektor der Technischen Universität Dresden vor drei Jahren an den damaligen Wissenschaftsminister Hans Joachim Meyer (CDU) schrieb. Professor Achim Mehlhorn schlug dort Maßnahmen gegen den ärztlichen Direktor des Dresdner Herz- und Kreislaufzentrums, Stephan Schüler, vor. Bei dem Papier, sagt Datenschützer Giesen, handle es sich um einen »rechtswidrigen Zersetzungsplan«.

Um das Herzzentrum hat es seit Jahren heftige Auseinandersetzungen gegeben, die auch zu erbittertem persönlichen Streit führten. Die medizinische Einrichtung wurde in einer komplizierten Vereinskonstruktion betrieben. Dem Trägerverein, dessen Aufsichtsrat der damalige Minister Meyer als Vorsitzender und Rektor Mehlhorn als Mitglied angehörten, wurde Misswirtschaft vorgeworfen, die Vertragskonstruktionen werden teilweise als rechtswidrig angesehen. Derzeit laufen Ermittlungsverfahren und Prozesse um Schadenersatz.

Im Jahr 2000 wachte der Verein noch über die renommierte medizinische Einrichtung, und Mehlhorn stieß sich an angeblich störenden Aktivitäten des ärztlichen Direktors. Dieser sei ein Strippenzieher, heißt es in dem Brief an den Minister. Der Rektor der Universität schlägt daher disziplinarische Maßnahmen und mehrere Schritte vor, um Schüler öffentlich zu diskreditieren. Bei den Maßnahmen, heißt es in dem Schreiben, solle man »lieber zu weit gehen als zu zaghaft sein«. Ein Jahr später wurden dem Mediziner durch das Ministerium tatsächlich Haus- und Lehrverbot erteilt. Zudem wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Das von dem SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle öffentlich gemachte Schreiben führte jetzt zu einer öffentlichen Beanstandung durch Datenschützer Giesen. Das ist die härteste Form einer Stellungnahme für den Datenschützer. Dieser sieht in den Forderungen Mehlhorns »offen rechtswidrige Vorschläge«, durch deren erwartete Umsetzung eine »schwere Gefahr für das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen« bestanden habe. Wenn Informationen über einen Beamten heimlich gesammelt und Schritte gegen ihn geplant würden, ohne dass dieser angehört werde, sei dies zudem ein »grober und menschenrechtswidriger Verstoß« gegen das Beamtenrecht.

Oppositionspolitiker erwarten nach den harten Vorwürfen eine Reaktion der Staatsregierung. Nolle spricht von einem »abgekarteten und mafiosen Komplott«. Weil seine diesbezüglichen Anfragen teilweise falsch beantwortet worden seien, will er vor dem Verfassungsgericht gegen die Regierung klagen. Der PDS-Abgeordnete Dietmar Pellmann fordert ein Disziplinarverfahren gegen Mehlhorn. Der Hochschullehrer, der kurz vor dem Ende seiner Amtszeit steht, muss sich bis zum 15. Mai zu den Vorwürfen äußern. Öffentliche Stellungnahmen gibt es bisher weder von der Technischen Universität noch vom Ministerium.
(Hendrik Lasch)