Karl Nolle, MdL
Dresdner Morgenpost, 21.08.2003
Uni-Forscher schlägt Alarm: Immer weniger Fachkräfte
Abwanderung treibt Sachsen in den Ruin
DRESDEN -Paradoxe Situation: Mehr als 400.000 Menschen sind im Freistaat arbeitslos - und dennoch sucht Sachsens Industrie händeringend Fachkräfte. Zuviele gehen in den Westen. Lässt sich dieser Trend nicht stoppen, droht Sachsen der wirtschaftlichen Ruin.
„Schon jetzt müssen Unternehmen im Raum Chemnitz wichtige Aufträge sausen lassen", sagt Michael Behr (43) von der TU Chemnitz. „Fehlen Fachkräfte, trifft das also alle Arbeiter und Angestellten im Betrieb." Die Lage in Sachsen -könnte sich in den nächsten Jahren noch verschärfen. Die zwei Hauptgründe: zu wenig Geburten und gleichzeitig zu große Abwanderung.
Richtig sichtbar wird dieser Trend in spätestens drei Jahren, warnt Behr. Was sich zurzeit niemand vorstellen kann: Aus Lehrstellenmangel wird dann Lehrlingsknappheit! Behr: „Viele Unternehmen werden ab 2006 händeringend Nachwuchs suchen." Denn ab dann gehen immer mehr Ältere in Rente, aufgrund von Wende-Geburtenknick und Abwanderung fehlen aber junge Menschen, die ihre Arbeitsplätze einnehmen.
Das trifft vor allem die Industrie - Werkzeugmaschinenbau, Metall und Chemie. Behr: „Hier wird es einen harten Wettbewerb um die wenigen Fachkräfte geben." Und den drohen vor allem westdeutsche Firmen zu gewinnen. Hauptgrund: Sie können besser zahlen. Folge: Sächsische Industriebetriebe müssen dichtmachen. Der Freistaat könnte wirtschaftlich nicht auf eigenen Beinen, stehen, würde dauerhaft am Tropf der alten Bundesländer hängen bleiben.
„Sachsen braucht eine Personalentwicklungsinitiative", fordert deshalb SPD-Wirtschaftsexperte Karl Nolle (58). Die Unternehmen müssten „auf Vorrat" ausbilden, die Politik vor allem dem Mittelstand beim Personalmanagement helfen. Nolle selbst geht mit gutem Beispiel voran: In seiner Druckerei hat er in diesem Jahr fünf zusätzliche Lehrlinge eingestellt.
(Von Stefan Locke)