Karl Nolle, MdL
Agenturen dpa/sn, 14:51 Uhr, 12.09.2003
Landtagsdebatte über Nolle und politische Kultur in Sachsen
Dresden (dpa/sn) - Erstmals in der Geschichte des Sächsischen Landtags stand am Freitag das Verhalten eines einzelnen Abgeordneten im Blickpunkt einer Debatte. Die CDU erhob heftige Vorwürfe gegen den SPD-Abgeordneten Karl Nolle.
Mit unwahren Behauptungen gefährde er den Wirtschaftsstandort Sachsen. Die CDU machte bei Nolle eine krankhafte Suche nach vermeintlichen Fehlern aus. Die Opposition beteiligte sich aus verfassungspolitischen Bedenken nicht an der Debatte.
Nach Ansicht der SPD zielte die von der Union beantragte Aussprache darauf, einen missliebigen Abgeordneten einzuschüchtern. In Teilen drehte sich die Debatte um politische Kultur in Sachsen. Nolle, der in der Vergangenheit mehrfach öffentlich das Verhalten einzelner CDU-Regierungsmitglieder angeprangert hatte und auch in der SPD als umstritten gilt, äußerte sich erst nach der Debatte in der Diskussion zu einem anderen Tagesordnungspunkt.
Aktueller Anlass waren Äußerungen Nolles über angebliche Ungereimtheiten und «schwarzen Filz» bei einem Grundstücksverkauf in Stollberg für eine Investition von Volkswagen und Siemens. Die CDU- Abgeordnete Uta Windisch aus dem Wahlkreis Stollberg hielt Nolle vor, seine Anwürfe hätten eine neue und an Verantwortungslosigkeit nicht zu überbietende Dimension erreicht. Nolle habe Investoren in die zwielichtige Ecke gestellt, «nur um wieder um Gespräch zu sein».
CDU-Fraktionschef Fritz Hähle warf Nolle - in der Debatte von der Union als «selbst ernannter Chefaufklärer», «Sachsens Saubersozi» oder «Genosse Hemmungslos» bezeichnet - indirekt vor, die politische Kultur des Parlamentes zu beschädigen. «Wir wollen lediglich von Ihnen wissen, wie Sie es denn mit der Wahrheit halten und wie ernst Sie ihre Verpflichtung als Abgeordneter nehmen, ihre ganze Kraft dem Wohle des Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden.»
Hähle machte deutlich, dass die CDU in der Vergangenheit viele Anwürfe von Nolle ertragen habe. «Wenn es aber um die Lebenschancen unserer Bevölkerung in einer benachteiligten Region geht, dann ist Schluss mit lustig», hob Hähle auf den aktuellen Hintergrund ab und schloss die Fraktionsführung der SPD in seine Kritik ein. «Sie wollen mit Filz-Vorwürfen die CDU treffen, weil sie es in der offenen, ehrlichen Auseinandersetzung nicht schaffen», sagte er.
SPD und PDS waren sich einig und lehnten eine Debatte über Nolle ab. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Gisela Schwarz, sagte: «Diese Debatte stellt einen direkten Angriff auf die in der parlamentarischen Demokratie verbrieften Rechte der frei gewählten Abgeordneten dar.» Der einzelne Abgeordnete sei niemandem Rechenschaft schuldig als seinem eigenen Gewissen. Klaus Bartl (PDS) sagte: «Die Debatte definiert, wozu dieser Landtag da ist. Er ist Stätte der politischen Willensbekundung und der Gesetzgebung. Und er hat die Aufgabe die Staatsregierung zu kontrollieren, nicht den Abgeordneten.»
Nolle zeigte sich nach der Debatte unbeeindruckt von den Vorwürfen der CDU. «Wer rummäkelt, wird an den Pranger gestellt.» Seiner Ansicht nach hat sich die CDU mit der Debatte blamiert. Die Art und Weise des Umgangs mit einzelnen Abgeordneten sei nicht akzeptabel, «ich fühle mich in vordemokratische Zeiten zurückversetzt». Er hielt der CDU vor, im Kern nicht auf sein Anliegen im Zusammenhang mit dem Stollberger Fall eingegangen zu sein. Fakt sei, dass einem Investor ein Grundstück verkauft wurde, dass mit einem Prozessrisiko behaftet sei. «Das verkauft man keinem Investor», beharrte Nolle. Darauf habe er aufmerksam machen wollen.
«Für Investitionsentscheidungen, Ansiedlung oder gar Expansion ist absolute Rechtstaatlichkeit, Rechtssicherheit und Planungssicherheit die wichtigste Grundlage», sagte Nolle später in einer Debatte zu Firmenansiedlungen. «Landrecht nach Gutsherrenart oder nach Art der roten Barone und ihrer willigen Blockflöten, ist da fehl am Platze, auch wenn diese vordemokratische Mentalität immer noch fröhliche Urständ feiert in Sachsen.»