Karl Nolle, MdL

Agenturen, ddp-lsc, 18:11Uhr, 23.09.2003

Rückendeckung für Rittinghaus - Rabe: Aufsichtsrat wusste über Millionen-Deal Bescheid

Sagurna soll am 9. Dezember vor Ausschuss
 
DRESDEN (ddp-lsc). In der Sachsenring-Affäre erhält Ex-Firmenchef Ulf Rittinghaus neue Rückendeckung. Das einst für Forschung und Entwicklung zuständige Vorstandsmitglied des inzwischen insolventen Unternehmens, Jürgen Rabe, schloss während seiner knapp fünfstündigen Zeugenvernehmung am Dienstag vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Dresden aus, dass Rittinghaus die vor allem gegen den früheren Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) gerichteten Anschuldigungen nachträglich erfunden hat.

Rittinghaus bezichtigte Schommer, der Sachsenring Automobiltechnik AG (SAG) als Gegenleistung für eine Drei-Millionen-Mark-Spende einen um vier Millionen Mark erhöhten staatlichen Zuschuss versprochen zu haben. Hauptsächlich mit den Mitteln des Zwickauer Unternehmens war kurz vor der Landtagswahl 1999 die Imagekampagne «Sachsen für Sachsen» finanziert worden.

Rabe zufolge hat die SAG dies nur deshalb getan, um den für sie wichtigen Erwerb der Dresdner Chipfabrik ZMD «nicht zu erschweren oder gar zu verhindern». Es sei befürchtet worden, dass das Geschäft nicht zustande käme, «wenn wir uns diesem Wunsch der Staatsregierung verschließen». Von diesem Wunsch habe er wie alle anderen von Firmenchef Ulf Rittinghaus erfahren.

Nach Angaben des 62-Jährigen waren Aufsichtsrat und Vorstand der Sachsenring Automobiltechnik AG (SAG) im Jahr 1998 in alle Details über das angebliche Millionengeschäft mit der Staatsregierung eingeweiht worden. Rabe widersprach damit Aussagen von mehreren früheren Aufsichtsratsmitgliedern.

Bei «Sachsen für Sachsen» habe es sich unstrittig um eine Kampagne für die CDU-geführte Landesregierung gehandelt, betonte Rabe. Allerdings gab er auch zu, mit den Details der Kampagne nicht weiter beschäftigt gewesen zu sein. Sie gehörten zu den «Kriegsschauplätzen, für die ich mich nie interessiert habe».

Die CDU nahm dies zum Anlass, Rabes Aussagen als »wenig brauchbar« einzustufen. Rabe gebe im Wesentlichen nur Aussagen von Rittinghaus wieder und liefere Berichte vom »Hörensagen". PDS und SPD sehen indes die Vorwürfe von Rittinghaus gestützt und die Staatsregierung nunmehr auch wegen der Insolvenz von Sachsenring in Erklärungsnot.

Rabes Aussage war vor allem deshalb mit Spannung erwartet worden, da er - anders als andere Beteiligte - bislang noch keine eidesstattliche Versicherung zugunsten von Schommer oder Rittinghaus abgegeben hat. Ein entsprechendes Ansinnen von Rittinghaus im Herbst 2002 hatte Rabe, dem bei der Zeugenvernehmung indes auch dessen Anwalt Reiner Fuellmich beratend zur Seite stand, abschlägig beschieden.

Nach Rabes Vernehmung entschied der Ausschuss, Ex-Regierungssprecher Michael Sagurna für den 9. Dezember vorzuladen. Wie der Vorsitzende des Gremiums, André Hahn (PDS), mitteilte, enthalten dem Ausschuss vorliegende Unterlagen «ernsthafte Hinweise» darauf, dass es einen Aktenvorgang in der Staatskanzlei zu «Sachsen für Sachsen» gegeben haben muss. «Selbst die Druckfahnen der Kampagne bedurften offenbar der Freigabe durch die Staatskanzlei», fügte Hahn hinzu. Es sei deshalb schwer vorstellbar, dass im Bereich des Regierungssprechers nur der eine Zeitungsartikel im Satiremagazin «Eulenspiegel» aufgehoben worden sei, der dem Untersuchungsausschuss übergeben wurde.
(Quellen: Rabe vor Ausschuss; Hahn auf Anfrage; SPD, CDU, PDS in Pressemitteilungen)
(von Tino Moritz)