Karl Nolle, MdL
Dresdner Morgenpost, 17.10.2003
Landtags-Abgeordnete fanden "rosa" Rede zum Davonlaufen
DRESDEN. Mit Sachsens Wirtschaft ist es offenbar zum Davonlaufen. Die von PDS und SPD lange geforderte Regierungserklärung von Wirtschaftsminister Martin Gillo hielt die Oppositions-Abgeordneten gestern im Landtag nicht lange auf den Sitzen.
So viel Rederei kann aber auch müde machen: In der dreistündigen Debatte im Anschluss an Gillos Rede lichteten sich die Reihen immer mehr. Am meisten bei der PDS: Nur noch fünf (von 29) Genossen hatten Bock auf Wirtschaft. Bei der SPD waren noch sieben (von 14) Abgeordnete da. Selbst die CDU schien schwer gelangweilt - nur 25 ihrer 75 Abgeordneten hielt es im Saal. Immerhin informierte Gillo nach 18 Monaten im Amt erstmals den Landtag über Sachsens Wirtschaft. Heraus kam ein dickes Lob für die sächsische Politik. „Die Staatsregierung hat allein in den vergangenen 17 Monaten Investitionen in Höhe von 2,6 Milliarden Euro angeschoben", sagte Gillo. „Das hat fast 36000 Arbeitsplätze gesichert und 7 800 neue geschaffen."
„Psychologisch sicher richtig", entgegnete SPD-Arbeitsmarktexperte Hanjo Lucassen. Aber: „Jeden Tag sind 2003 in Sachsen auch 100 Arbeitsplätze weggefallen." SPD-Wirtschaftsexperte Karl Nolle: „Penetrantes Eigenlob behebt die Defizite im Land nicht." Er warf der Regierung „Durchwurschteln" vor.
Gillo sah das natürlich anders, präsentierte stolz Sachsens Mittelstands-Bilanz: höchste Selbstständigen- und Exportquote und zweitniedrigste Insolvenzquote in den neuen Ländern. Nolle: „Wir leben von denen, bei denen es schlechter läuft. Und was ohnehin passiert, wird als gewollt und als Ergebnis kluger Politik beschrieben."
Ein wenig Problembewusstsein gab's dann doch noch: Gillo sieht „viele kleine und mittlere Unternehmen in einer labilen Phase". Gründe: reduzierte Fördermittel und die Zurückhaltung der Banken. Seine Gegenmaßnahme: ein 30-Millionen-Euro Mittelstandsfonds. Der soll ab nächstem Jahr das Eigenkapital von Wachstumsunternehmen stärken.
(Stefan Locke)