Karl Nolle, MdL
Agenturen ddp-lsc, 15:20 Uhr, 04.11.2003
Vielstimmiger Genossen-Chor
Nach Tiefensees Absage scheiden sich in der SPD die Geister an der Kandidatenfrage für 2004
Leipzig (ddp-lsc). Nach der Absage von Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee scheiden sich in der sächsischen SPD die Geister an der Frage nach dem sozialdemokratischen Herausforderer von Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU). Unmittelbar vor einem Treffen der sächsischen Parteispitze mit Generalsekretär Olaf Scholz am späten Dienstagnachmittag in Berlin bestand unter den Genossen des Freistaats Uneinigkeit darüber, zu welchem Zeitpunkt wer gekürt werden soll und ob dies über eine Mitgliederbefragung geschehen müsse. Der Chemnitzer Politologe Eckhard Jesse rät der SPD, die bei der Landtagswahl 1999 mit einem Stimmenanteil von 10,7 Prozent einen historischen Tiefstand erreichten, indes zur Nominierung der Landeschefin Constanze Krehl.
Während Sachsens einzige SPD-Landrätin, Petra Köpping, eine Mitgliederbefragung als «klasse Idee» bezeichnete, wird dies von der Vorsitzenden des SPD-Unterbezirks Lausitz, der Bundestagsabgeordneten Barbara Wittig, als nicht notwendig abgelehnt. Diejenigen, die in der Landes-SPD für diesen Posten in Frage kämen, seien hinreichend in der Partei bekannt. Allerdings wolle sie nicht ausschließen, dass auch noch ein Überraschungskandidat auftauchen könne. Wittigs Meinung nach ist es nicht nötig, die Kandidatenentscheidung überhastet zu treffen. Die Sitzung des Landesvorstandes am kommenden Freitag in Leipzig müsse kein endgültiges Wort über den Kandidaten bringen.
Dagegen rechnet das Landesvorstandsmitglied Axel Brückom, zugleich Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Chemnitz, unter Umständen schon mit einem Ergebnis am Freitag. Wichtig für die Partei sei nun, dass schnell entschieden werde. "Die Zeit, die wir ursprünglich für die Kandidatenkür eingeplant hatten, gibt es nicht mehr», sagte er. Er gehe davon aus, dass sich Landeschefin Krehl und Fraktionschef Thomas Jurk werden einigen können.
Auch der Fraktionschef der SPD in der Leipziger Ratsversammlung, Joachim Fischer, plädiert für eine schnelle Lösung. Wer immer Ministerpräsident Milbradt herausfordern wird, brauche eine gewisse Anlaufzeit, um im Land bekannt zu werden, sagte Fischer. Ob letztlich ein Sonderparteitag den Kandidaten küre oder eine Mitgliederbefragung, ist nach Ansicht Fischers egal. Er selbst halte den Berliner Staatsminister und vogtländischen SPD-Politiker Rolf Schwanitz für den geeignetesten Herausforderer des Regierungschefs. «Schwanitz ist der professionellste Kandidat», sagte Fischer.
Dagegen favorisiert der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle seinen Fraktionschef Jurk. Als derjenige, der seit 1990 in der Landespolitik tätig ist und seit 1999 erfolgreich die Fraktion führe, sei Jurk der geborene Herausforderer von Milbradt, sagte Nolle. Mit Blick auf Ambitionen der Parteichefin und Europa-Abgeordneten Krehl fügte er hinzu, jeder müsse für die Partei dort arbeiten, wo er seine Stärken und Erfahrungen habe und am besten einsetzen könne.
Nach Ansicht des Chemnitzer Politologen Jesse hat Tiefensee, dessen Kür im April nächsten Jahres die Parteispitze favorisiert hatte, mit seinem Verzicht nicht nur der sächsischen SPD, sondern auch sich selbst geschadet. «Die Menschen glauben jetzt, dass Tiefensee Herausforderungen aus dem Weg geht», sagte Jesse.
(Von Tino Moritz und Matthias Hasberg)
(Quellen: Alle auf ddp-Afrage)
ddp/tmo/kfr
041520 Nov 03