Karl Nolle, MdL
Süddeutsche Zeitung, 05.11.2003
Pikante Prüfung
Die alte Leipziger Olympia-GmbH beleuchtet ihr Innenleben
Wolfgang Tiefensee wird nicht als SPD-Spitzenkandidat in die sächsische Landtagswahl 2004 ziehen, Leipzigs Oberbürgermeister konzentriert sich nun ganz auf die Olympiabewerbung 2012. Wie gut diese Nachricht für die deutsche Kandidatenstadt ist, wird sich vielleicht schon in diesen Tagen weisen. Tiefensee hat wiederholt erklärt, die Bewerbung würde Schaden nehmen, wenn er selbst fortwährend in der Kritik stünde. Das ist aber nicht auszuschließen, weil nun juristische Überprüfungen zu den Geschäftsvorgängen im Bewerberkomitee anlaufen. Genauer: In den beiden Gesellschaften, die Leipzig durch die nationale Phase bis Mitte April und seither durch den internationalen Bewerb getragen haben.
Teure Zwischenhändler
Neben den Wirtschaftsprüfern befasst sich auch der Leipziger Oberstaatsanwalt Norbert Röger mit Transaktionen, die von einer großen Nähe des jüngst geschassten Olympia-Geschäftsführers Dirk Thärichen zu den Sportmanagern Ivan Radosevic und Henner Ziegfeld zeugen (bei denen Thärichen vormals im Salär stand). Röger hat ein Prüfverfahren eingeleitet, das „in Richtung Untreue“ läuft.
Kurzfristig war für den gestrigen Dienstag ein Treffen der Gesellschafter der vormaligen „Leipzig, Freistaat Sachsen und Partnerstädte GmbH“ in Dresden einberufen worden, von jener Gesellschaft also, mit der Leipzig die nationalen Städterivalen von Hamburg bis Stuttgart ausgestochen hatte. Die alten Gesellschafter sollten über den Stand der nun angelaufenen internen Prüfung unterrichtet werden. Laut Tagesordnung wurden die Liquidatoren der alten GmbH vorgestellt, zur Untersuchung dürften nun auch mehr als ein Dutzend Rechnungen von gleich drei Firmen aus dem Umfeld des Vermarkter-Duos Radosevic und Ziegfeld stehen. Einige hunderttausend Euro haben die Firmen „SCI Sport Consulting International“, „Ziegfeld Agentur für Event-Management Sponsoring Marketingservice“ und „Arge“ in Rechnung gestellt und erhalten. Hingegen ist die Forderung der „Pentacom Beratungsgesellschaft für Marketing Kommunikation & PR mbH“ über knapp 76 000 Euro noch nicht beglichen, sagt Mike de Vries, Geschäftsführer der Leipzig 2012 GmbH.
Nicht nur die Gesellschafter, auch der Oberstaatsanwalt will wissen, auf welcher Vertragsbasis diese Geschäfte abgewickelt wurden – und auf welcher die üppigen Provisionszahlungen. Die Sponsoren-Akquise dürfte ja offenbar nicht allzu schwierig gewesen sein. Zum einen waren nach Informationen dieser Zeitung andere Vermarkter, die für die alte GmbH Geldgeber suchten, an eine Art Exklusivitätsklausel gebunden: Sponsoren, deren Beiträge ein Limit von 30 000 Euro überschritten, sollten an den Kollegen Radosevic durchgereicht werden. Arbeitserleichterungen, die Insider verwundern.
Generell aber stellt sich die Frage, wofür Leipzigs Olympia-Werber überhaupt so gut verdienende private Zwischenhändler benötigt hatten – zumal die ja fast nur kommunale Unternehmen an die Bewerbung banden. Einem internen Schriftwechsel zufolge, über den die Berliner Zeitung am Mittwoch berichtet, sollen sich Thärichen, damals noch Geschäftsführer der „Leipzig, Freistaat Sachsen und Partnerstädte GmbH“, und Burkhard Jung, der Olympiabeauftragte der Stadt Leipzig, darauf verständigt haben, dass die Firma SCI eine Provision von 15 Prozent auf Zahlungen der Stadt Leipzig in Höhe von einer Million Euro erhält. Auf die Vereinbarung beziehen sich jedenfalls auch Rechnungsstellungen der SCI. Indes soll aus manchen Rechnungen nicht eindeutig hervorgehen, welche Arbeiten da so gut honoriert wurden.
Bitte mit Nachdruck
Oberstaatsanwalt Röger hat den Bericht der alten Olympia-GmbH, der nun erstellt wird, fest im Visier. Er hält ihn für eine „sehr wichtige Information“. Weil er aber im Stadium des Prüfverfahrens auf die freiwillige Herausgabe von Akten angewiesen ist, will er sich am heutigen Mittwoch an Olympia-Geschäftsführer Mike de Vries wenden. „Dann liegt es im Ermessen des GmbH-Aufsichtsrats, uns den Prüfbericht vorzulegen“, sagt Röger, der hofft, nicht abgewiesen zu werden. „Sollte unserer Bitte nicht entsprochen werden, müssen wir uns natürlich überlegen, auf andere Art und Weise Einblick zu erhalten in diesen Bericht. Aber das muss man abwarten, ich wüsste nicht, warum der Bericht der Staatsanwaltschaft verheimlicht werden sollte.“
(Thomas Kistner)