Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 23.12.2003

Distanz zu den Brüdern

Die merkwürdige Werbekampagne „Sachsen für Sachsen“
 
Es ist nicht lange her, da zählten die Brüder Ulf und Ernst Wilhelm Rittinghaus zu den Unternehmern, an deren Seite Minister der sächsischen Landesregierung besonders gern gesehen wurden. Die beiden pflegten den Auftritt in großem Stil, der zur Sehnsucht nach Weltläufigkeit in der früheren Regierung unter Kurt Biedenkopf passte. Vor allem Wirtschaftsminister Kajo Schommer zeigte sich gern mit den von einem Wirtschaftsmagazin als „Unternehmer des Jahres“ ausgezeichneten Brüdern und lobte ihre Aufbauarbeit. Immerhin hatten sie aus Resten des Trabant-Werks in Zwickau den Autozulieferer Sachsenring SAG geformt.

Inzwischen schwärmt Christdemokrat Schommer gar nicht mehr, sondern zieht arg über die Brüder her, die vor allem an ihr eigenes Wohl dächten. Auch sonst möchten sächsische Christdemokraten heute lieber schon früher ein distanziertes Verhältnis zu ihnen gehabt haben. Es scheint zum guten Ton zu gehören, dass man „ihnen gegenüber skeptisch war“, wie der aktuelle CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt am Montag bekannte. Er habe die beiden immer erlebt als „Gebrüder vom Stamme Nimm“, erklärte er vor dem Untersuchungsausschuss, dessen Gegenstand der Hauptgrund für den Sinneswandel ist.

Denn die Brüder Rittinghaus haben harte Vorwürfe erhoben. Der Ausschuss prüft, ob es 1999 zwischen der Landesregierung und der Spitze ihres früheren Unternehmens SAG – sie mussten 2002 Insolvenz anmelden – einen höchst dubiosen Deal gegeben hat. Ihren Angaben zufolge hat die SAG zur Landtagswahl 1999 drei Millionen Mark in eine Imagekampagne „Sachsen für Sachsen“ gesteckt, die Biedenkopfs Regierung dienen sollte, aber als überparteilich getarnt wurde. Dies sei Bedingung dafür gewesen, dass die SAG die Chipfirma ZMD (Zentrum für Mikroelektronik Dresden) übernehmen und beim Kauf 29 Millionen Mark als Ausgleich für Verluste der ZMD bekommen sollte. Der „negative Kaufpreis“ sei im Gegenzug sogar von 25 auf 29 Millionen Mark erhöht worden. Die Landesregierung hätte somit eine Kampagne zu ihren Gunsten über Subventionen finanziert.

Milbradt, der damals als Finanzminister den ZMD-Kauf absegnete, hat nun als Zeuge wie alle CDU-Vertreter zuvor die Darstellung von Rittinghaus als falsch zurückgewiesen. „Eine Verquickung staatlicher Zuwendungen mit den Interessen einer Partei hat es und wird es mit mir nicht geben“, sagte er. Für ihn sei die Sachsen-Kampagne keineswegs eine Werbung für die CDU, sondern für den Standort Sachsen gewesen.

Er habe keine Kenntnis, sagte Milbradt, wann immer ihm der Inhalt eines der brisanten Schreiben vorgehalten wurde, die als Beleg für die intensive Beteiligung der Staatskanzlei an der Planung der Kampagne gelten könnten. Vor allem der frühere Regierungssprecher Michael Sagurna dürfte nach diesen Unterlagen intensiv eingebunden gewesen sein. Ein Terminplan sah sogar vor, dass die Staatskanzlei beim Feinschliff des Konzepts dabei sein sollte und später die Freigabe von Entwürfen für Anzeigen und Werbemittel mitverantworten sollte. Dies mitten im Wahlkampf – für eine Kampagne, die überparteilich sein sollte. Sagurna hat eine solche Beteiligung vor dem Ausschuss bestritten, räumt aber eine Mitarbeit ein.

Das inzwischen bekannte Konzept der Kampagne lässt kaum Zweifel über ihre Zielrichtung zugunsten der CDU. Mit der Entwicklung war zunächst die inzwischen notorische Agentur WMP beauftragt. Deren Vorstandsmitglied Hans-Erich Bilges machte damals in einem Entwurf klar, wie vor allem der Partei geholfen werden sollte. PDS und SPD wurden in diesem Konzept klar als „die Gegner“ eingeordnet. Weitere Papiere könnten belegen, dass auch die CDU-Fraktion einbezogen war.

So sieht – obwohl ein klarer Nachweis für die Richtigkeit der Rittinghaus-Vorwürfe fehlt – die Opposition weiter genug Anlass, darüber zu rätseln, warum sonst die unter Liquiditätsproblemen leidende SAG die drei Millionen Mark für die Kampagne ausgegeben haben soll. Ein Schlüssel zum Verständnis könnten Unterlagen aus der Staatskanzlei sein, die Klarheit brächten, wie sehr Biedenkopf und sein damaliger Sprecher involviert waren. Doch in der Staatskanzlei wurden keine Unterlagen gefunden.

Nun verbreitete der SPD-Abgeordnete Karl Nolle am Montag im U-Ausschuss, dass diese Papiere sich den Aussagen des Geschäftsführers der CDU-Fraktion zufolge in der Dresdner CDU-Parteizentrale befinden. CDU-Partei- und Landeschef Milbradt versprach, nachgucken zu lassen.
(Jens Schneider)