Karl Nolle, MdL
ND Neues Deutschland, 07.08.2003
Hangwasser-Affäre läuft und läuft
Staatsanwaltschaft beschlagnahmt Bankunterlagen
In die Ermittlungen zur Fluthilfe-Affäre der einstigen sächsischen CDU-Sozialministerin Christine Weber kommt Bewegung. Jetzt wurden Unterlagen bei der landeseigenen Aufbaubank beschlagnahmt.
Nicht rechtswidrig« – diese Einschätzung gab Sachsens Innenminister Horst Rasch zu Förderanträgen ab, mit denen sich seine Ex-Kabinettskollegin Christine Weber (beide CDU) Hilfsgelder aus staatlichen Hochwasserfonds gesichert hatte. Die Beurteilung entstammt einem Gefälligkeitsgutachten, mit dem vergebens versucht wurde, die Ministerin im Juni vor einem Rücktritt zu bewahren. Er erfolgte kurz darauf – offiziell aus gesundheitlichen Gründen nach einem Nervenzusammenbruch Webers.
Ob Raschs Bewertung zutrifft, ist inzwischen mehr als fraglich. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Mitte Juli gegen Weber; jetzt wurden erstmals Büros der Sächsischen Aufbaubank (SAB) durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt. SPD-Fraktionschef Thomas Jurk warf dem Innenminister gestern vor, mit seinem »Persilschein« eine Parteifreundin »wider besseres Wissen« gedeckt zu haben. Der Vorfall solle im Landtag thematisiert werden, sagt Jurk, der Rasch inzwischen für »untragbar« hält.
Über die SAB, in deren Büros die Ermittler jetzt auftauchten, hatte Weber insgesamt 17349 Euro Fluthilfen erhalten. Anlass war ein Wasserschaden, der im August 2002 durch Starkregen an ihrem am Hang gelegenen Haus im erzgebirgischen Zschopau entstanden war. Allerdings wurden Regenschäden später von der staatlichen Fluthilfe ausgenommen – ein Umstand, der vor allem auf das Drängen der sächsischen Staatsregierung gegenüber Bayern zurückgeht.
Weber, die als Kabinettsmitglied davon wissen konnte, ließ ihren Antrag auf dem kurzen Dienstweg von ihrem Parteifreund, dem Zschopauer Bürgermeister Klaus Baumann, unterschreiben, so dass er am 23. Oktober von der SAB bestätigt werden konnte. Zwei Tage später erging der Erlass, mit dem Regenschäden ausgeschlossen wurden. Ein Zuwendungsbescheid für Weber über eine erste Rate von 10005 Euro wurde bewilligt.
Dass gegen die Ex-Ministerin nun wegen Beihilfe zur Untreue ermittelt wird und auch SAB-Mitarbeiter ins Visier der Justiz geraten sind, hängt vor allem mit einem Folgeantrag über weitere 7344 Euro zusammen. Dieser stammt vom 23. April 2003 und wurde bewilligt, obwohl dies zu dem Zeitpunkt den Richtlinien klar widersprach.
Von der Durchsuchung erhofft sich die Staatsanwaltschaft Chemnitz jetzt Erkenntnisse darüber, ob die frühere Ministerin mitverantwortlich für die unrechtmäßige Auszahlung der Hilfen ist, die sie mittlerweile an die SAB zurückgezahlt hat. Bestätigt sich der Verdacht, droht ihr eine Geldstrafe. Den Ermittlungen hatte auch der Landtagspräsident zustimmen müssen, weil Weber weiterhin Abgeordnete ist. Über eine mögliche Aufhebung der Immunität wird aber erst entschieden, falls es zu einer Anklage kommt. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle, der Weber und Baumann angezeigt hatte, hofft, dass »die Ermittlungen nicht wieder durch politischen Druck von oben eingestellt werden«.
Welche Auswirkungen die Affäre auf die politische Zukunft Webers hat, wird sich in fünf Wochen zeigen. Die 54-Jährige, die einst zu den Stützen des heutigen Ministerpräsidenten Georg Milbradt in dessen Auseinandersetzung mit Amtsvorgänger Kurt Biedenkopf gehörte, ist auch stellvertretende CDU-Landesvorsitzende. Auf einem Landesparteitag am 20. September wählt die Sachsen-Union einen neuen Vorstand. Ob Weber dem Gremium erneut angehören wird, ist auch vor dem Hintergrund der aktuellen Ermittlungen eher fraglich.
(Von Hendrik Lasch, Dresden)