Karl Nolle, MdL
Leipziger Volkszeitung LVZ/DNN, 08.01.2004
Bläst die SPD heute die Urwahl ab?
Dresden. Eigentlich stand gestern Festliches auf dem Programm im Landtag. Präsident Erich Iltgen (CDU) hatte zum Empfang in die Lobby des Plenarsaals geladen, wollte Politik und Gäste ins neue Jahr einführen. Doch aus der moderaten Stimmung wurde nichts, an Tischen und in Gängen gab es nur ein Thema: Die Grabenkämpfe in der SPD zwischen Landeschefin Constanze Krehl und Fraktionschef Thomas Jurk.
Für Furore sorgte dabei jene E-Mail, die vom Computer des MDR-Nachrichtensprechers Ronald Lässig an SPD-Mitglieder gegangen ist. Inhalt: frisierte Aussagen von Jurk zur Zusammenarbeit mit der PDS. Der Fraktionschef reagierte empört, drohte gestern unverhohlen mit dem Anwalt. Lässig selbst war abgetaucht, dafür gab es Neues aus Leipzig: Der MDR teilte mit, der umstrittene Moderator sei bis auf weiteres beurlaubt - "um Schaden vom Sender abzuwenden".
Das trifft nicht zuletzt Krehl. Denn Lässig will nicht nur auf Leipziger SPD-Ticket in den Landtag, sondern fungiert seit Wochen als heimlicher Berater der SPD-Chefin in der Öffentlichkeit. "Wer sich mit solchen Leuten umgibt", wetterte der SPD-Landtagsabgeordnete Cornelius Weiss, "wird selbst untragbar". Genau an diesem Punkt - der Kür des SPD-Spitzenkandidaten samt Urwahl - lichtet sich jetzt das Dunkel.
Heute tagen die Parteispitzen, das mögliche Ergebnis aber schwieg sich bereits herum: Die Kontrahenten Krehl und Jurk haben sich offensichtlich geeinigt, die Urwahl soll in letzter Minute abgeblasen werden. Denkbar ist eine Regelung, die beide Kandidaten weiter nennt. Dabei dürfte Platz 1 an Jurk gehen, Krehl geht auf Platz 2 und behält den Landesvorsitz. Nach der September-Wahl aber, so die Lesart, könnte sie dann doch in Brüssel bleiben - als EU-Abgeordnete.
(Jürgen Kochinke)