Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 09.01.2004

Rivalen beschwören den Teamgeist

SPD legte Streit um Spitzenkandidatur bei - Jurk Erster „unter Gleichen" - Krehl räumt ein: „Stimmung verkannt"
 
Dresden. Die Vorsitzende bemühte sich, ihre Niederlage mit der Beschwörung von Teamgeist zu überspielen. „Gemeinsam, gleichrangig und gleichwertig" will Constanze Krehl mit Thomas Jurk als Spitzenkandidatin in den Landtagswahlkampf ziehen. Das Abtreten der Führungsrolle der sächsischen Sozialdemokraten an den Chef der 14-köpfigen Fraktion im Landtag, hatte ihr Amtsvorgänger Karl-Heinz Kunckel am Montag eingefädelt.

Gestern meldete die auf dem Boden der Tatsachen zurückgekehrte Europapolitikerin Vollzug vor der SPD-Führung. „Ich habe erkannt, dass der Wunsch der Partei nach einer Urwahl nicht existiert", musste Krehl einräumen. Mit eben diesem Wunsch, den sie von der Basis vernommen haben wollte, hatte die Leipzigerin beim Bundesparteitag in Bochum das Ruder für die Übernahme der Doppelspitze Partei/ Fraktion in die Hand nehmen wollen. Ohne Absprache mit Jurk verkündete sie die Urwahl und trieb damit die Genossen in den Streit.

„Gemeinsam geht es besser", lautet nun die Erkenntnis der Vorsitzenden. Das Einschwenken auf Konsens interpretiert sie als ein „Signal nach innen und zum Aufbruch". Gelassen assistiert ihr Jurk; „Die SPD ist zukunftsfähig", und fügt einen Satz an, der in der Krise besonders merkwürdig klingt: „Der Gegner kann sich warm anziehen."

Aus dem gestern Abend abgesegneten Kompromiss geht Jurk gestärkt hervor. Auf Listenplatz 1 gilt seine Wiederwahl für den Fraktionsvorsitz und die doppelte Grunddiät plus Aufwandsentschädigung eines Landtagsabgeordneten als gesichert. Nur mit diesem Status hätte sich Krehl finanziell nicht verschlechtert, wenn sie vom Europaparlament in den Landtag gewechselt wäre. Mit Listenplatz 6 ist sie auf der Bundesliste der SPD für die Europawahl am 13. Juni bestens abgesichert. Am 19. Juni will die sächsische SPD ihre Liste für die Landtagswahl aufstellen. Krehls Einfluss wird stark genug sein, um die Personalwünsche des Leipziger Bundestagsabgeordneten Gunther Weißgerber mit Nachdruck zu erfüllen.

Offen ließ Krehl, ob sie ihrem Wahlkampfhelfer Ronald Lässig noch zu einem Listenplatz verhelfen will. „Verabscheuungswürdig" nennt sie die Manipulation, die dem suspendierten MDR-Sprecher im Zusammenhang mit einem gefälschten Jurk-Interview nachgesagt wird. Auf der Homepage der Sachsen-SPD fungiert Lässig allerdings noch als Ansprechpartner.

Überflüssig werden jetzt die Regionalkonferenzen der SPD. „Ich habe im Vogtland keinen gefunden, der eine Urwahl wollte", bestätigte Unterbezirksgeschäftsführer Lutz Kätzel. Klartext wie immer zu Krehls Fehlspekulation sprach der Landtagsabgeordnete Karl Nolle. „Krehl hat soviel Chaos angerichtet, dass sie jetzt zur Parteigarderobe gehen und den Hut nehmen müsste."
(von Hubert Kemper)