Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 05.12.2000
Sachsens SPD-Spitze geht auf Distanz zu Karl Nolle
Äußerungen über Biedenkopfs Familie "unakzeptabel"
DRESDEN. Der Dresdner SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle gerät wegen seiner jüngsten Vorwürfe gegen Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) und dessen Frau sowohl in der eigenen Partei als auch innerhalb der SPD-Fraktion immer stärker ins Abseits. Nolle hatte den Premier im Zusammenhang mit dem Todesfall von Joseph Abdulla Verharmlosung von rechtsextremistischer Gewalt vorgeworfen und in der vorigen Woche öffentlich erklärt: "Ich hoffe auch, dass diese fragwürdige Zurückhaltung, die hier stattfindet, was die Rechtsradikalität angeht, nichts mit der eigenen nationalsozialistischen Familientradition von Kurt und Ingrid Biedenkopf zu tun hat, die ja darin selber in ihrer Familie tief verstrickt waren. Sie selber nicht, aber ihre Eltern."
Scharfe Kritik an dieser Äußerung übte inzwischen Sachsens SPD-Landesvorsitzende Constanze Krehl. Gegenüber der SZ erklärte sie, der Angriff auf Biedenkopf sei in dieser Form nicht akzeptabel. "Ich halte das für völlig daneben und die Vorwürfe auch nicht für nachweisbar. Das ist eine Sippenhaft, die bei uns nicht üblich ist."
Auch der SPD-Fraktionsvorstand beschäftigte sich gestern mit dem Thema. Zuvor war bekannt geworden, dass Nolle in einer Pressemitteilung zu den Vorfällen in Sebnitz zusätzlich von "ethnischen Stoiberungen" gesprochen hatte. Fraktionschef Thomas Jurk erklärte im Anschluss an die Vorstandssitzung: "Beide Äußerungen sind absolute Einzelmeinungen. Wir stehen in dieser Sache in entschiedener Distanz zu Karl Nolle." Am Freitag will Jurk seine Kritik auf einer Fraktionssitzung wiederholen.
Fraktionsintern wird bereits darüber diskutiert, ob Nolle seine Ämter als Arbeitskreisleiter Wirtschaft sowie als wirtschaftspolitischer Sprecher in Zukunft abgeben soll. Karl Nolle selber lehnt einen Verzicht auf die beiden Funktionen strikt ab. Er sieht sich zu Unrecht in der Kritik. Gegenüber der SZ kündigte er eine Dokumentation an, mit deren Hilfe er seine Vorwürfe belegen will. "Wer die Fakten über Biedenkopfs Familie kennt, wird seine Meinung ändern." Auch die Verwendung der Begriffs "ethnische Stoiberung" halte er für legitim, weil dieser aus dem aktuellen Programm des Dresdner Kabaretts Herkuleskeule stamme.
Innerhalb der SPD-Fraktion wird Nolle dennoch zunehmender Realitätsverlust vorgehalten. "Der ist völlig abgehoben", heißt es. So stört man sich unter anderem daran, dass Nolle in der Öffentlichkeit offensiv als designierter SPD-Kandidat für die Dresdner Oberbürgermeisterwahl auftritt, obwohl seine endgültige Nominierung parteiintern immer noch umstritten ist.
(Von Gunnar Saft)