Karl Nolle, MdL

Frankfurter Rundschau, 21.02.2004

"Leipziger Modell" vor dem Aus

Affäre Kaminski stellt Zusammenarbeit von CDU und SPD in Frage
 
In Leipzig ist in dieser Woche vielleicht eine Ära zu Ende gegangen und ein Politikwechsel eingeleitet worden: Die Affäre um Stadtkämmerer Peter Kaminski (CDU), die mit dessen Suspendierung durch Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) ein vorläufiges Ende gefunden hat, dürfte sich auch auf das "Leipziger Modell" auswirken - die enge Zusammenarbeit aller Parteien in der Stadtverordnetenversammlung. Das betrifft vor allem das Zusammenwirken von SPD und CDU.

Die Vorwürfe gegen Kaminski beziehen sich im Kern auf zwei Dinge: Da ist zum einen seine Zusammenarbeit mit dem Unternehmer Roland Poser, der im Jahr 1998 im Wahlkampf Kaminskis um das Amt des Oberbürgermeisters der sächsischen Metropole eine zentrale Rolle gespielt haben soll. Später gab es dann einen von Kaminski eingefädelten Vertrag zwischen Poser und der Stadt zur Vermarktung des Neubaus des Zentralstadions, durch den Poser eine Provision in Höhe von 1,8 Millionen Mark erhalten haben soll. Kaminski bestreitet, dass Poser eine wichtige Rolle in seinem Wahlkampf gespielt hat.

CDU bestätigt Unregelmäßigkeiten

Außerdem geht es um Spenden im Wahlkampf 1998, die zum Teil unrichtig deklariert, zum Teil unter Umgehung des Parteiengesetzes rechtswidrig aufgeteilt wurden. Das ergaben CDU-interne Ermittlungen, deren Ergebnisse am Freitag präsentiert wurden. Welche Auswirkungen das auf den somit unzutreffenden Rechenschaftsbericht der CDU von 1998 hat, ist noch nicht klar.

Nachdem die CDU bereits Kreisgeschäftsführer Hasso Schmidt von seinen Aufgaben entbunden hatte, nahm in den vergangenen Tagen der Druck auf Kaminski zu. Die sächsische Union setzte als Sonderermittler den früheren Datenschutzbeauftragten des Landes, Thomas Giesen, ein. Doch auch der Druck auf OB Tiefensee wurde immer stärker. Lange Zeit stellte er sich hinter seinen Finanzbürgermeister. Erst als ihm Giesen die Ergebnisse seiner Recherchen präsentierte, suspendierte er Kaminski.

Kritiker sehen Kungelei im Stadtrat

Beobachter fragen sich jetzt, ob das Zögern Tiefensees unter anderem mit dem so genannten Leipziger Modell zu tun hat. Ins Leben gerufen wurde es von dessen Amtsvorgänger Hinrich Lehmann-Grube, der sich in den ersten Jahren nach dem Mauerfall darauf verlassen können wollte, dass parteipolitische Auseinandersetzungen zu Gunsten des Wiederaufbaus in der Messestadt zurückgestellt würden. Alle Fraktionen zogen dafür an einem Strang. Aber mit dem "Leipziger Modell" war auch dann noch nicht Schluss, als die wichtigsten Weichen gestellt waren.

Heute bedeutet es nach Ansicht von Kritikern nichts weiter, als dass ohne wirkliche Opposition im Stadtrat hinter den Kulissen gekungelt wird. Das Verhalten der großen Parteien in der Affäre Kaminski scheint ihnen Recht zu geben: Während der CDU-Landesverband Sachsen mit Ministerpräsident Georg Milbradt an der Spitze schon die Ablösung Kaminskis forderte, hielt die SPD-Fraktion im Stadtrat noch zu ihm.

Nun ist Aufklärung angesagt. Schon jetzt läuft ein Disziplinarverfahren gegen Kaminski, hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen. Nun müsse noch Tiefensee in die Offensive gehen, um weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden, heißt es. Auch wenn dies das Ende des "Leipziger Modells" bedeute.
(VON JÖRG ABERGER, LEIPZIG/AP)