Karl Nolle, MdL
WELT, 21.02.2004
Dossier belastet Leipzigs Kämmerer
Untersuchungsbericht der CDU bringt Kaminski in Korruptionsverdacht
Dresden/Leipzig - Der Leipziger Finanzbürgermeister Peter Kaminski ist nach Ansicht des früheren sächsischen Datenschutzbeauftragten Thomas Giesen zu Recht von seinem Amt suspendiert worden. Giesen, der im Auftrag der CDU die Hintergründe der Spendenaffäre untersucht hatte, legte am Freitag in Dresden seinen Abschlussbericht vor. Dabei bekräftigt und verstärkt das Dossier des früheren sächsischen Datenschutzbeauftragten die Exklusivberichte zur Kaminski-Affäre der WELT. Kaminski steht im Verdacht der Untreue im Amt. Im Alleingang und ohne Einschaltung des Rechtsamts hatte der Kämmerer dem zwielichtigen Geschäftsmann Roland Poser, der ihn 1998 in seinem verlorenen Wahlkampf zum Oberbürgermeister unterstützt hatte und der an der womöglich rechtswidrigen Stückelung von Großspenden beteiligt war, einen millionenschweren Vermittlungsauftrag zugeschanzt.
Angeblich sollte Poser beim Umbau des Leipziger Fußballstadions für die WM 2006 einen Investor finden, wobei die Provision in Höhe von 2,088 Millionen Mark auch auf öffentliche Subventionen berechnet wurde. Als das Geschäft bekannt wurde, bagatellisierte Kaminski Posers Rolle in seiner Wahlkampagne. Für Giesen hingegen steht fest, "dass Roland Poser die zentrale Person im Wahlkampf unmittelbar neben Kaminski" war. Die Versuche des entlassenen Kämmerers, dies zu leugnen, "haben eine ganz eigene Bedeutung in Bezug auf den Verdacht kollusiven oder korrupten Zusammenwirkens".
Bei dem Stadionprojekt habe Poser, so Giesen weiter, "eine hohe und zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung unbegründete Provision" erhalten - "das Gegenteil kann von den handelnden Personen nicht plausibel dargestellt werden". Solche Ausführungen legten den Tatverdacht der Korruption nahe.
Auch ein mysteriöser PR-Vertrag nährt bei Giesen den Verdacht auf kriminelle Machenschaften. Für Kaminskis Wahlkampf hatte Poser die Hamburger Agentur Salaction vermittelt. Mit dieser Firma unterschrieb der Kämmerer einen Vertrag, der merkwürdig gestaltet und eine offenbar "völlig unangemessene Vergütung von mindestens einer halben Millionen Mark" vorsah.
Unbekannt bisher war, dass sich Kaminski in seinem Wahlkampf erheblich - und zwar mit 167 000 Mark - verschuldet hatte. Eine derart hohe Verschuldung bei einem "in Finanzfragen durch und durch erfahrenen Mann", schlussfolgert Giesen, "muss den Anschein auf sicher sprudelnde Geldquellen erwecken". Auffällig für Giesen war, dass Kaminski Fragen, ob seine Spender wirtschaftliche oder politische Vorteile erwarten konnten, nicht beantworten wollte.
Zu Kaminskis Spendern gehört nach Informationen der WELT etwa die Leipziger Bau- und Immobiliengruppe Megaron. Diese Firma hat nicht nur durch etliche städtische Auftragsvergaben profitiert, sondern auch Arbeiten am Privathaus von Kaminski durchgeführt. Geschäftsführer Frank Moritz räumt zwei Aufträge über 55 000 Mark und 7000 Euro ein. Auffällig: Jüngst hat die Stadt den Megaron-Gesellschaftern eine Villa zu einem vergleichsweise moderaten Preis veräußert. Dabei hat eine frühere GmbH dieses Personenkreises, die Merkur Gastro und Freizeit GmbH, hohe Außenstände gegenüber der Kommune. Die Gesellschaft wurde an die Ukrainerin Patsula Ljubow verkauft.
Welche finanziellen Folgen der Giesen-Report für die sächsische CDU hat, ist unklar. Generalsekretär Hermann Winkler sagte, dass man sich wegen der Unregelmäßigkeiten mit Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) in Verbindung setzen werde. Politische Auswirkungen könnte der Bericht auch für Tiefensee haben. Schließlich wusste das Stadtoberhaupt seit Mitte 2002 von dem anrüchigen Provisionsvertrag zwischen Kaminski und Poser. Doch obwohl ein vernichtender Prüfbericht der Innenrevision vorlag, schaltete Tiefensee weder die Kommunalaufsicht noch die Staatsanwaltschaft ein.
(von Uwe Müller)