Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 25.02.2004
„Zerrüttete Strukturen in der Polizeiführung"
Landespolizeipräsident immer stärker in Bedrängnis - GdP-Vize Oehler: Reform vor den Baum gefahren
Dresden. Das sächsische Innenministerium und dessen Polizeiführung kommen nicht aus dem Gerede. Neue Medienberichte bringen Landespolizeipräsident Eberhard Pilz (59) weiter in Bedrängnis. Der Chef von 14.000 Polizisten im Freistaat muss sich Fragen nach seinem Umgang mit Alkohol, aber auch seinem Verhalten gegenüber Frauen gefallen lassen. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle hatte in parlamentarischen Anfragen eine Bootstour auf der Elbe im Sommer 2003 und die mögliche Belästigung durch „verbale Ausfälle" angesprochen.
Als „unzutreffende Spekulationen" hatte der Sprecher des Innenministeriums, Thomas Uslaub, mögliche Beschwerden bezeichnet. Sowohl Personalrat als auch Frauenbeauftragte verfügten über keine entsprechende Informationen. Im Gegensatz zu Uslaubs Erklärung ist der Personalratsvorsitzende des Innenministeriums nicht befragt worden. Es gebe allerdings „formal" keine Beschwerden, die wegen einer Belästigung an Personalratsmitglieder herangetragen worden seien, sagte Hans-Georg Schastok, Vorsitzender dieses Gremiums. Man sei „hellwach, wohlwissend, dass sich manche nicht trauen, sich mit Sorgen und Nöten an den Personalrat zu wenden."
Berichte über Druck und Einschüchterung dringen seit längerem aus der Führungsetage des Innenministeriums. Angst vor Repressalien lässt Mitarbeiter zurückschrecken, Informationen offen zu bestätigen. Versetzungen aus dem unmittelbaren Umfeld von Pilz werden von Insidern als Ausdruck wachsender Nervosität in der Spitze gewertet. Pressesprecher Uslaub ist inzwischen in erster Linie mit der Beantwortung von Presseanfragen, die auch seine Rolle im Polizeiunterstützungsverein und Vorwürfe gegen Pilz betreffen, beschäftigt.
Abstrahl-Effekte des Abwehrkampfes auf die unteren Hiercharchie-Ebenen fürchtet die Gewerkschaft der Polizei. „Das Klima, das wir in der Führungsspitze haben, werden wir bald in jedem Revier haben", sagt Peer Oehler, stellvertretender GdP-Landesvorsitzender voraus und schließt damit auf eine Gefährdung der inneren Sicherheit. „Binnenklimatisch ist die Polizeireform völlig vor den Baum gefahren worden", widerspricht Oehler der offiziellen Version von Landespolizeipräsident Pilz diametral. Für das Dilemma macht er die politische Verantwortung beim Innenminister fest Rasch fehle mittlerweile der Rückhalt in der eigenen Fraktion, meint Oehler, der in Dresden Stadtausschuss-Vorsitzender der SPD ist.
Befürchtungen, dass die Handlungsfähigkeit des Polizei-Apparats gefährdet ist, äußert auch Steffen Tippach. Der innenpolitische Sprecher der PDS-Landtagsfraktion spricht von „zerrütteten Strukturen" und von „Substrukturen", die Raschs laxe Führung des Innenministeriums ermöglicht hätten.
(von Hubert Kemper)