Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 26.02.2004
Verträge offenbaren dubiosen Provisionsdeal
Dresden/Leipzig. Das Werk gilt als geheime Verschlusssache erster Ordnung: Bisher kennen nur wenige Insider den Originalvertrag zum Leipziger Zentralstadion aus dem Jahre 1998, und selbst für die Finanzer unter den Stadträten gilt eine einfache Regel: Der so genannte "Geschäftsbesorgungsvertrag" samt Nachtrag darf zwar eingesehen werden, aber nur in Ausnahmefällen und unter Aufsicht - um seine Veröffentlichung zu vermeiden.
Seit gestern liegen die beiden Vertragsteile dennoch vor, ihr Inhalt ist brisant. Es geht um die umstrittene Zwei-Millionen-Mark-Provision, die Stadtkämmerer Peter Kaminski (CDU) seinem Wahlhelfer Roland Poser für die Vermittlung eines Investors fürs Zentralstadion gewährt hat. Und es geht um die Aufgaben, die darin festgeschrieben werden - oder auch nicht. So sind in Paragraph 1 unter dem Stichwort "Leistungspflichten" gleich fünf Aufgabenfelder für die Poser-Firma "Connect GmbH" definiert. Entscheidend aber ist, was nicht geregelt wird: Kein Wort fällt zur Akquise, der Problemkreis Investorensuche ist ausdrücklich nicht erwähnt.
Genau dafür aber hatte Poser jene Millionen-Provision erhalten. Interessant ist der Zeitablauf. Der eigentliche "Geschäftsbesorgungsvertrag" zwischen Kaminski und Poser wurde am 28. Dezember 1998 abgeschlossen und enthielt noch - wie berichtet - eine spärliche Gewinnspanne für Poser: Connect sollte lediglich 20 Prozent auf die eigenen Gesamtkosten erhalten (Paragraph 2, Absatz 3). Erst rund ein Jahr später, am 17. Dezember 1999, erweiterte Kaminski den Vertrag per Zusatzvereinbarung. Auf mageren eineinviertel Blatt Papier sicherte er Poser die Millionen-Provision für dessen Investorensuche zu - zu zahlen vom Investor.
Das ist erklärungsbedürftig. Denn die eigentliche Akquise fand bereits rund neun Monate vor der Zusatzvereinbarung statt. Am 4. März 1999 kündigte Poser schriftlich gegenüber der Stadt ein Anbahnungsgespräch mit Investor Michael Kölmel an - mit der Bitte, "den Kämmerer zu informieren". Zu diesem Zeitpunkt aber galt noch der ursprüngliche "Geschäftsbesorgungsvertrag", der sich mit keiner Zeile zur Investorensuche äußert - geschweige denn eine Provision dafür in Aussicht stellt.
Damit erhalten die beiden Werke zusätzliche Brisanz. Denn zum Zeitpunkt der Sponsorenakquise von Poser gehörte dies laut Vertrag nicht zu seinen Aufgaben und hätte somit auch nicht vergütet werden dürfen. Als so genannte "Leistungspflichten" tauchen lediglich die Erstellung eines Kostenrahmens für den Bau des Zentralstadions sowie die Entwicklung von Konzepten für eine neue Besitzgesellschaft oder die Vermarktung auf (Paragraph 1, Absätze 1 bis 5). Erst nachträglich regelten Kaminski und Poser das Provisionsproblem für eine Leistung, die zum Zeitpunkt ihrer Abwicklung nicht gefordert war.
Das wirft ein neues Licht auf den Provisionsdeal. Sollte sich herausstellen, dass die vertragliche Grundlage dafür fehlt, müsste Poser das Geld zurückzahlen - an Kölmel oder an die Stadt. Schließlich hatte diese im März 2000 einen Vorschuss über 232.000 Mark gewährt. Damit wäre es die Stadt, die formaljuristisch Ansprüche gegenüber Poser anzumelden hätte.
Das hatten die städtischen Rechnungsprüfer bereits ähnlich gesehen - wenn auch aus anderem Grund. Da der ursprüngliche "Geschäftsbesorgungsvertrag" vier Monate vor seiner Konkretisierung ausgelaufen war, so ihr Argument im internen Prüfbericht vom Oktober 2002, sei auch die Provision hinfällig. "Die Geschäftsgrundlage für die ergänzende Vereinbarung bestand nicht mehr."
(von Jürgen Kochinke)