Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, Seite 4, 10.03.2004

Es barschelt: Wenn Affären außer Kontrolle geraten

Leitartikel von Dieter Soika
 
Politische Affären verlaufen in der Regel nach einem leicht durchschaubaren Strickmuster.

Erste Stufe Desinformation: Die Drahtzieher geben sich als die Unwissenden aus und behaupten, sie hätten noch nie von der Sache gehört.

Zweite Stufe Schuldzuweisungen: Die Akteure spielen das Unschuldslamm und wollen glauben machen, andere hätten die Sache zu verantworten.

Dritte Stufe Verfolgungswahn: Die Täter schminken sich zu Opfern um und beklagen, dass Medien und Opposition eine Kampagne gegen sie führten.

Vierte Stufe Wohltäter: Wenn alles Ablenken, Vertuschen, Leugnen und Verdrehen nicht mehr nützt, rechtfertigen die Verantwortlichen ihr Treiben damit, sie hätten es doch nur gut gemeint.

Politische Affären sind in erster Linie Glaubwürdigkeitskrisen. Verlorenes Vertrauen kann aber nur wieder hergestellt werden, wenn Offenheit herrscht, wenn Reden und Handeln nachprüfbar eine Einheit bilden, wenn auf der Hand liegende Fehler eingestanden und daraus Konsequenzen gezogen werden.

Die sächsische Landesregierung hat jüngst wegen einer ganzen Reihe von Skandalen und Affären, die noch ihrer Aufklärung harren, eine Sonderermittlungsgruppe Korruptionsbekämpfung eingerichtet. Ein sehr vernünftiger Schritt, denn solche Spezialisten sind in anderen Bundesländern bereits seit Jahren erfolgreich dabei, den Filz zu durchkämmen.

Nun gehören die Sonderermittler in Sachsen zum Justizministerium und nicht zum Innenministerium. Ministerpräsident Milbradt wird wissen, warum er das genau so richtig geregelt hat.

Denn im Innenministerium fehlt es an allem, was für eine derart anspruchsvolle Aufgabe zwingend gebraucht würde: Sachverstand, Aufklärungswille, Führungsstärke und überzeugende Persönlichkeiten.

Im Innenministerium fehlt es an allem.

Die Kumpanei zwischen Polizeiführung und Gewerkschaftsfunktionären ist dabei nur eine von vielen Sumpfpflanzen, die dort alles zu überwuchern drohen.

Vetternwirtschaft und schikanöser Umgang mit Untergebenen belegen stets eines, nämlich die Schwäche des Führungspersonals. Der Versuch eines Anwalts des in der Kritik stehenden Landespolizeipräsidenten Pilz, Journalisten über ihre Informanten auszuhorchen, konnte deshalb kürzlich noch als eine Lachnummer angesehen werden. Sehr ernst müssen dagegen zahlreiche Hinweise genommen werden, die nun von Pilz-Kritikern stammen: Sie fühlen sich bespitzelt. Es barschelt in Sachsen.