Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 15.03.2004
„Jeder will ein Stück vom Kuchen“
Thomas Meyer, Chef des Steuerzahlerbundes Sachsen, zum Kampf gegen Korruption
Die zunehmende Zahl von Korruptionsvorwürfen ist für Sachsens Chef des Steuerzahlerbundes, Thomas Meyer, auch eine Folge des Wahlkampfs. Die Anti-Korruptionseinheit „Ines“ allein könne das Problem nicht lösen.
Die Vorwürfe, sächsische Beamte und Politiker würden sich persönlich bereichern, nehmen in letzter Zeit deutlich zu. Wie kommt es zu dieser Welle von Anschuldigungen?
Korruption findet immer statt. Es gibt im Wahljahr aber einen besonderen öffentlichen Druck. Die Regierenden wollen zeigen, dass sie gegen Korruption vorgehen. Die Opposition versucht, sie politisch zu nutzen und spricht von verkrusteten Strukturen.
Aber wer hat nun Recht?
Zumindest ist eines richtig: Es haben sich in den Jahren der CDU-Alleinregierung gewisse Beziehungsgeflechte herausgebildet, die zwischen Wirtschaft und Politik auf Landes- und Kommunalebene seit Jahren funktionieren. So positiv Kontinuität auch ist, birgt sie aber auch Gefahren: Vorgänge werden automatisiert, der Umgang miteinander wird laxer, man will dem anderen nichts Böses unterstellen. Das sehe ich durchaus parteiübergreifend.
Was sind die Folgen?
Es ist eine gewisse Selbstbedienungsmentalität entstanden. Jeder will ein Stück vom Kuchen. Man redet sich ein, nicht den Steuerzahler zu schädigen, sondern einfach zu bekommen, was einem zusteht. Das ist eine Denkschablone, die in sehr vielen Köpfen drin ist.
Ist Korruption also ein unvermeidbares, im System angelegtes Problem?
Zu einem großen Teil ist es auch ein persönliches Versagen der betreffenden Personen. Sie erfüllen nicht die moralischen Anforderungen für ihr Amt oder ihre Tätigkeit. Das ist auf allen Ebenen festzustellen. Je mehr Geld aber verwaltet wird, desto geringer ist auch die Hemmschwelle. Man ist dann immer weniger geneigt, die eigenen Ansprüche an die der Normalverdiener anzulehnen, sondern am Volumen der im Beruf bewegten Geldströme.
Einen neuen Weg geht Sachsen mit der Anti-Korruptionseinheit „Ines“. Wird diese erfolgreich sein können?
Auf jeden Fall schadet die Gründung einer solchen Institution nicht. Sie wird sicherlich in dem einen oder anderen Bereich einzelne Erfolge erzielen können. Aber das Problem der Korruption allein mit einer solchen Sondereinheit lösen zu wollen, ist zu kurz gesprungen.
Was müsste noch getan werden?
Der richtige Weg wäre, das Vorschriftenwerk für Finanzströme und die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand zu straffen und zu vereinfachen. Denn dort versickern immer wieder Gelder. Korruption dreht sich in der Regel um öffentliche Aufträge. So undurchsichtig, wie beispielsweise das System von Förderungen ist, wird es korruptionsanfälligen Menschen leicht gemacht, weil effektive Kontrollen fehlen.
Versagen die Kontrollmechanismen derzeit?
Von einem generellen Versagen würde ich nicht sprechen. Es ist allerdings die Frage, wie intensiv man die Aufsicht ausübt, ob man sich beispielsweise blind auf Zuarbeiten verlässt. Und nicht zuletzt: Wer selbst im Glashaus sitzt, wirft höchstens ganz kleine Steine. S.4
Das Gespräch führte Andreas Novak