Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, Seite 4, 17.03.2004
Hauen und Stechen an der Spitze der Polizei im Freistaat
Dresden. Innere Sicherheit gilt für die CDU als sichere Bank in Wahlkampfzeiten. Auf keinem anderen Feld wird den Christdemokraten solche Kompetenz zugeschrieben, nirgendwo sonst können sie so selbstverständlich punkten. Doch genau dieser Bereich droht der Sachsen-Union nun den fest eingeplanten Sieg beim Urnengang im September zu verhageln. Grund ist das seit Wochen grassierende Hauen und Stechen in der Polizeiführung - Lagerbildung und deftige Strafanzeigen inklusive.
Gestern eskalierte die Affäre: Nachdem seit Wochen Vorwürfe gegen Landespolizeipräsident Eberhard Pilz die Runde machten, ging Innenminister Horst Rasch (CDU) in die Offensive. Tenor: Strafanzeige bei der "Integrierten Ermittlungseinheit zur Korruptionsbekämpfung" (Ines), das Ministerium schlägt zurück. Dabei umfassen die Anzeigen nahezu die gesamte Breite des Strafgesetzbuchs: Betrug, Untreue, Strafvereitelung im Amt sowie Nötigung. Laut Rasch hat sie ein Mitarbeiter einer nachgeordneten Behörde gestellt.
Zwar wollte der Minister gestern nicht sagen, gegen wen ermittelt wird. Klar ist aber, dass es sich um zwei Beamte der Landespolizeischule in Bautzen dreht und um den Zentralabteilungsleiter im Innenressort, Bernd Groh. Darüber hinaus stützte Rasch seinen Polizeichef. Gegen Pilz laufe eine "inszenierte, infame Rufmordkampagne", meinte der Ressortchef und kündigte Konsequenzen an: "Die Urheber werden nicht mit einem blauen Auge davon kommen."
Das hat Konsequenzen: Zum einen erwägt der Anwalt der Bautzener Beamten, Mark Hirschmann, nun seinerseits "rechtliche Schritte". Zum anderen droht immenser Flurschaden. Denn die Geschichte hinter der Geschichte ist ein seit langem schwelender Machtkampf im Innenressort. Auf der einen Seite stehen Rasch, Pilz und Staatssekretär Michael Antoni, auf der anderen Groh und irgendwo auch die Bautzener Polizeilehrer.
Vor allem Groh wird allgemein als Strippenzieher gegen die Hausspitze genannt, unter anderem, weil er Vorvorgänger von Pilz als Landespolizeipräsident ist und - nebenbei - auch Mitglied der FDP. Prekär dabei: Bei Polizeiführern, die selbst keine Aktie im ressortinternen "Lagerkampf" haben, gilt Groh als "ordentlicher Beamter", verwaltungs- und polizeierfahren. Dies aber sei Pilz nicht. Im Gegenteil: Die von ihm federführend durchgesetzte Strukturreform sei "ein Desaster".
Genau dies ist ein weiterer Grund für die Verwerfungen. Denn geplant ist, die 13 Polizeidirektionen und drei Präsidien auf sieben schrumpfen zu lassen. Pilz aber will offensichtlich ihm Getreue an die Spitze holen. Die Folge: Leitende Beamte fürchten um ihre Stellung, es geht um Besoldungsgruppen und um viel Einfluss. Hier entsteht das, was Rasch gestern "Vorwürfe von interessierter Seite" nannte; anonyme Neider würden pikante Vorwürfe gegen Pilz der Presse stecken.
Spätestens seit den Ines-Anzeigen gegen die Polizeispitzen droht diese prekäre Gemengelage aus dem Ruder zu laufen. Längst hat sich Regierungschef Georg Milbradt (CDU) höchstpersönlich eingeschaltet, um mit Pilz und Antoni vor allem Minister Rasch zu schützen. Nach Lage der Dinge dürfte diese Rechnung aber nicht mehr aufgehen, zumindest nicht im Falle Pilz. Die Affäre hat eine Dynamik erreicht, die Milbradt zu weiteren Schritten zwingen dürfte. Denn die Alternative ist unerfreulich. "Am Ende", meint ein Spitzenpolizist, "sind alle beschädigt" - Pilz und die Polizeilehrer in Bautzen, vor allem aber die innere Sicherheit.
(Jürgen Kochinke)