Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 18.03.2004

Wenn Journalisten auf der „falschen Seite" sitzen

Schlammschlacht im Innenministerium erfasste auch die einst solide Pressearbeit
 
Dresden. Der Job gilt als der härteste, den eine Regierung im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit zu vergeben hat Nirgendwo laufen so viele Funktionen mit brisanten Themen zusammen wie im Innenministerium. Thomas Uslaub, Sprecher des sächsischen Ressortchefs Horst Rasch, hat seinen Job gut gemeistert - bis der Streit um Landespolizeipräsident Eberhard Pilz eskalierte.

Die Rüge, die die Landespressekonferenz Sachsen aussprach, war das Ergebnis einer längeren Pannenserie. „Unvollständig, schleppend und zum Teil gar nicht mehr" beantworte das Innenministerium Presseanfragen, hieß es in der Erklärung der Vereinigung von 87 landespolitisch tätigen Journalisten. Die Reaktion des Innenministeriums auf die harsche Kritik setzte eins zu eins die Marschroute der letzten Wochen fort: Das einstimmige Votum im Vorstand der Landespressekonferenz wurde infrage gestellt, angeblich ablehnende Kommentare aus Journalistenkreisen sollten die Glaubwürdigkeit des Verfahrens anzweifeln.

Vieles ist ins Wanken geraten, seitdem die Führung des Innenministeriums Durchhalteparolen ausgegeben hat. Aus den Zeiten eines Staatsministers Heinz Eggert hatten sich Strukturen verselbstständigt, die der schneidige Jurist Klaus Hardraht dem gelernten Ingenieur Horst Rasch überlassen hatte. Von Hardraht übernahm Rasch auch den Pressesprecher. Zwar wollte der unbedingt in den Polizeidienst zurückkehren, doch Thomas Uslaub blieb und hofft weiter, im Zuge der Polizeireform ein Stück auf der Karriereleiter nach oben zu gelangen.

Nicht alles, was der Kriminaloberrat in den letzten Wochen im Dienste seiner Dienstherren verkündete, dürfte diesem Ziel dienlich gewesen sein. Die Weitergabe von Recherche-Ergebnissen, die in Form von Fragen an das Ministerium geleitet wurden, war ein besonders eklatanter Verstoß gegen das Fairplay. Gravierender noch sind die Versuche, kritische Journalisten auszugrenzen, sie der falschen Seite" zuzurechnen und ein „FreundFeind"-Denken mit gezielt gestreuten Informationen zu fördern.

Obwohl am 27. Februar in der Landespolizeischule Bautzen eine erneute Durchsuchung stattfand, die auch der Sonderermittlung zur Korruptionsbekämpfung dienen sollte, spielte das Ministerium die Aktion als routinemäßige Geschäftsprüfung herunter.

Ohne die betroffenen Mitarbeiter vorab zu informieren und die Ergebnisse interner Ermittlungen abzuwarten, ließ das Ministerium zu, dass Strafanzeigen, unter anderem gegen den früheren Landespolizeipräsidenten Bernd Groh, gestellt wurden. Die Anzeige habe eine seinem Haus nachgeordnete Dienststelle in seinem Haus gestellt, sagte Rasch. In einer Boulevardzeitung muss sich Rasch im Zusammenhang mit halbseidenen Vorwürfen über Vorgänge in der Landespolizeischule die Frage “Stürzt der Innenminister über diesen Sex-Skandal?” stellen lassen. Als “sehr grob” dargestellt, bezeichnet Staatsanwalt Claus Bogner die Anzeigen. Sie werden vom Dezernat Amtsdelikte bei der Staatsanwalt Dresden bearbeitet.

Den Versuch eines CDU-Politikers, durch Vermittlung eines Gesprächs zwischen Rasch und einem Mitarbeiter der.Landespolizeischule den Konflikt zu entschärfen, leugnet Rasch. Obwohl er das Gespräch mit den Worten „Ich sehe keine Möglichkeit mehr einzugreifen, die Dinge nehmen ihren Lauf" beendet haben soll, will der Minister von der Unterredung nichts wissen.

Der Personalrat des Innenministeriums sei wegen der Vorwürfe angeblicher sexistischer Bemerkungen des Landespolizeipräsidenten befragt worden, hatte das Innenministerium behauptet. Zumindest der Vorsitzende dieses Gremiums aber nicht, berichtete die ,Freie Presse". Öffentlich streute Uslaub, der Personalratsvorsitzende sei falsch zitiert worden. Hans-Georg Schastock hatte mit dem Hinweis, es liege keine formale Beschwerde vor, für Unruhe im Ministerium gesorgt. Offensichtlich hat auch er einen Maulkorb verhängt bekommen. Längst berichten Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand von großer Angst vor Repressalien.
(von Hubert Kemper)