Karl Nolle, MdL

MDR Fernsehen, exakt - Das Nachrichtenmagazin, 20:15 Uhr, 23.03.2004

Die SPD und ihre Abweichler

Manuskript des Beitrages von Arndt Noack
 
SPD in der Krise

Es ist fast wie zu Ur-sozialdemokratischen Zeiten: in einer kleinen Chemnitz Kneipe trifft sich die SPD. Das konspirativ anmutende Beisammensein hat seinen Grund: die Genossen wollen nicht etwa für ihre Partei in den Wahlkampf ziehen, sondern gegen sie. Was bundesdeutsch noch als Gespenst am sozialdemokratischen Himmel spukt, ist in Chemnitz schon Realität: Abweichler in der SPD haben ihre eigene Wahlinitiative gegründet und werden zur Kommunalwahl eigene Kandidaten ins Rennen schicken. Denn mit dem Aufkleber der SPD, so ihre Sorge, sind kaum Stimmen zu bekommen.

O-Ton: Sieghard Bender, SPD-Abweichler

"Mir tut es in der Seele weh, was die Bundespolitik mit den sozialdemokratischen Grundwerten macht. Da ist wirklich nicht mehr viel zu erkennen, und ich finde auch es wird langsam arrogant, wenn die politische Elite dieser Partei in Berlin dann immer nur sagt: wir haben ein Vermittlungsproblem. Also damit auch sagt: die Leute kapieren es nicht, sind eigentlich zu blöde. Nein, die kapieren es sehr wohl."

Zur gleichen Zeit im Chemnitzer Rathaus. Hier tagt die SPD-Fraktion des Stadtrates. Betretene Gesichter bei den Genossen. Die Konkurrenz aus den eigenen Reihen hat sie kalt erwischt. Ihre Befürchtung: massive Stimmenverluste für die SPD bei den Kommunalwahlen im Juni. Was bleibt ist, den Abweichlern mit Konsequenzen zu drohen.

O-Ton: Axel Brückom, SPD-Chef Chemnitz

"Am Freitag da gibt es eine Sitzung des Unterbezirksvorstandes, wo wir die Fakten auf den Tisch legen können, wo wir auch noch mal die Möglichkeit zu einem Gespräch haben. Und danach werden wir sehen, wie es weiter geht. Also, die letzte Konsequenz ist sicherlich ein Ausschluss bzw. ein Fortgang aus der Partei."

Harte Zeiten für Sachsens SPD, wenn Mitglieder davon ausgehen, mit Splittergruppen bessere Wahlchancen zu haben. Von ihrem erklärten Ziel, bei den Landtagswahlen die absolute Mehrheit der CDU zu brechen, ist die alte Dame SPD weit entfernt. In einer bislang gut gehüteten Umfrage im Auftrag der Partei antworteten auf die Frage "Werden sie ganz sicher die SPD wählen?" gerade mal fünf Prozent der Befragten mit Ja. Eine bittere Zahl, auch wenn die Parteichefin sie herunterzuspielen versucht.

O-Ton Constanze Krehl, SPD-Chefin Sachsen

"Das ist eine Frage nach der Stammwählerschaft, das hat mit Wahlergebnissen überhaupt gar nichts zu tun. Ich weiß nicht, ob die Frage der Stammwähler der CDU oder der PDS oder der Grünen oder von FDP dort drin sind, aber die werden auch deutlich geringer sein, als das Wahlergebnis."

Wie gesagt: fünf Prozent Stammwähler für die SPD. Die Abweichler in Chemnitz sind sich sicher: sie werden zur Wahl mit ihrer Initiative antreten. Auch, wenn das den Rausschmiss bedeutet.