Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 26.03.2004
Innenminister Rasch unter Dauerbeschuss
SPD und PDS fordern Abberufung - Strafanzeigen gegen Landespolizeipräsident Pilz - Chaos im Ministerium
Dresden. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) hat mit seinem Innenminister Horst Rasch (CDU) kein Glück. Rasch stand schon während der Hochwasserkatastrophe wegen Führungsschwäche in der Kritik. Weitere Affären lassen ihn immer unfähiger erscheinen. Die Opposition fordert immer lauter seinen Rücktritt.
Ein Jahr nach der Flut gab es Vorwürfe der Opposition wegen des neuen Katastrophenschutzgesetzes, und Kopfschütteln erntete Rasch auch wegen seiner Ankündigung, eine Fernsehmoderatorin mit der Entwicklung einer Fernsehserie über die kriminalpolizeiliche Präventivarbeit zu beauftragen. Vorläufiger Höhepunkt des Spektakels: Hohe Polizeiführer werden mit Strafanzeigen belegt, und die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen Beamte des Innenministeriums.
Regierung spricht von "Rufmordkampagne."
Seit kurzem muss sich ein Abteilungsleiter im Ministerium mit dem Vorwurf der Strafvereitelung im Amt und der Begünstigung auseinandersetzen, und gegen leitende Polizeibeamte laufen gleichfalls Strafanzeigen. Unter ihnen ist der Landespolizeipräsident Eberhard Pilz. Dieser weist Vorwürfe, wonach
er seinen Dienstwagen für private Zwecke genutzt haben soll, als falsche Verdächtigungen zurück. Rasch sowie Regierungssprecher Christian Striefler sprechen von einer „Rufmordkampagne".
Wer hinter den Anschuldigungen steckt, ist schwer auszumachen. Für den innenpolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Peter Adler, steht fest: "Das sind Machtkämpfe innerhalb der Polizei!"
Der innenpolitische Sprecher der PDS-Landtagsfraktion, Steffen Tippach, spricht von chaotischen Verhältnissen. Die oppositionellen Parteien SPD und PDS fordern zudem seit langem den Rücktritt von Rasch. Selbst der sonst so gemäßigte CDU-Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag, Fritz Hähle, spricht von einem Affentheater, das beendet werden müsse.
Doch nicht nur die Politik beschäftigt sich mit Rasch und seinem Ministerium. Auch die Landespressekonferenz Sachsen, die Vereinigung aller landespolitischen Korrespondenten, ist nicht gut auf das Innenministerium zu sprechen. In einem offenen Brief machte der Vorsitzende Gunnar Saft seinem Unmut über die Informationspolitik des Ministeriums Luft und kritisierte die Tatsache, dass schriftlich eingerichtete Anfragen der „Freien Presse" und der „Dresdner Morgenpost" sowie die Antworten zum Teil vor deren redaktioneller Verwendung veröffentlicht wurden.
„Diese bisher unübliche Praxis können wir nicht hinnehmen", schrieb Saft am 11. März an den Ministeriumssprecher Thomas Uslaub. Zugleich kritisierte er die öffentliche Diffamierung von Journalisten durch Innen-Staatssekretär Michael Antoni während einer Pressekonferenz.
PDS und SPD plädieren erneut für Rücktritt des Innenministers
Die nächste politische Runde im Streit um die Zukunft des Innenministers ist bereits eingeläutet. SPD und PDS haben eine Sondersitzung des Landtages beantragt. PDS-Fraktionschef Peter Forsch und SPD Fraktionschef Thomas Jurk forderten erneut die Abberufung von Rasch als Innenminister. Jurk: „Wer Rasch nicht entlässt, gefährdet die innere Sicherheit Sachsens." Und für Porsch steht fest: Rasch muss weg, um weiteren Schaden vom Freistaat abzuwenden.
Das miserable Krisenmanagement im Innenministerium hat längst auf die Polizei-Basis durchgeschlagen. „Das Klima, das wir in der Führungsspitze haben, werden wir bald in jedem Revier haben", sieht Matthias Kubitz von Gewerkschaft der Polizei die Polizeireform „binnenklimatisch völlig vor den Baum gefahren". Von einer schlechten Stimmung, nicht zuletzt auch durch die monatelangen Querelen um Pilz, spricht Andreas Steinecke von der Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund. CDU-Politiker fürchten, dass mit dem Ansehensverlust von Pilz auch die Kompetenz bei dem entscheidenden Wahlkampf-Thema innere Sicherheit beschädigt wird. Reflexartig haben sich zuletzt die Reihen hinter dem angeschlagenen Innenminister geschlossen, fast sehnsüchtig wartet die Regierungspartei, den Ballast Pilz abwerfen zu können.
Beweise, die Vorwürfe gegen den Polizeichef belegen können, werden offenbar noch aus Angst zurückgehalten. Forderungen nach Zeugenschutz wiederholte gestern der Personalrat des Innenministeriums in einem Gespräch mit Minister Rasch. „Wir sind hellwach, wohl wissend, dass sich manche nicht trauen, mit Sorgen und Nöten an den Personalrat zu wenden", hatte Vorsitzender Hans-Georg Schastok schon vor Wochen der „Freien Presse" gesagt. Den Hilferuf einer sonst braven Mitarbeitervertretung des öffentlichen Dienstes kommentierten zwei Oppositionspolitiker. Steffen Tippach, innenpolitischer Sprecher der PDS im Landtag: „Zeugenschutz kennt man sonst nur aus der Organisierten Kriminalität." Und SPD-"Aufklärer" Karl Nolle: „Aufklärung bei Untreue, Korruption und organisierter Kriminalität ist ohne Zeugenschutz und Kronzeugenregelung unmöglich."
(von Frank Ellmers, ap und Hubert Kemper)