Karl Nolle, MdL

Dresdner Morgenpost, 02.04.2004

EU-Abzocke: Auch Sachsens Europa-Abgeordnete dabei

 
DRESDEN - Die EU-Schlammschlacht um das Tagegeld für Abgeordnete. Jetzt kam heraus: Auch sächsische EU-Parlamentarier stehen auf der Abzock-Liste, darunter auch SPD-Chefin Constanze Krehl.

Krehl und ihre drei CDU-Kollegen Jürgen Schröder (Dresden), Lutz Göpel (Döbeln.) und Brigitte Wenzel-Perillo (Leipzig) kassieren für ihre Anwesenheit in Brüssel und Straßburg ein so genanntes Tagegeld - wie alle EU-Abgeordneten. Jetzt wirft ihnen ihr österreichischer Kollege Hans-Peter Martin (parteilos) vor, skrupellos Tagegeld eingestrichen zu haben. Martin hatte auf einer Liste 57 der 99 deutschen EU-Abgeordneten notiert, die sich in die Tagegeldlisten einschrieben und anschließend aus Brüssel oder Straßburg abreisten. Seine Beweise: Videoaufzeichnungen und Beobachtungen. „Ichfinde es merkwürdig, dass einAbgeordneter seine Kollegen bespitzelt", sagt Krehl. Sie und Schröder gaben zu, auf der Liste zustehen. Die Büros von Göpel und Wenzel-Perillo gaben keine Auskunft, reagierten auf Nachfrage ungehalten.

Krehl: „Ich halte mich an alle Regeln, habe mir nie etwas erschlichen." Das Tagegeld stehe ihnen rechtlich zu, soll die dreifache Haushaltsführung (Brüssel, Straßburg, Heimatort) der meisten Abgeordneten finanzieren. Krehl: “Allein ein Hotelzimmer in Brüssel gibt's nicht für unter 160 Euro." Dennoch kommt bei durchschnittlich 14 Tagen je Monat in Brüssel und Straßburg ein üppiges Sümmchen zusammen. Denn die 262 Euro Tagegeld gibt es für jeden Abgeordneten zusätzlich zu 7.238 Euro Grunddiät und 3.700 Euro Aufwandspauschale. Dazu kommen Reiskostenpauschalen und maximal 12.576 Euro für Büro und Personal.

Die deutschen EU-Abgeordneten prüfen nun rechtliche Schritte gegen ihren Kollegen Martin. Krehl. „Unangenehm, wie er das Parlament diffamiert." Immerhin: Eine Reform der Abgeordnetenbezüge hält sie für nötig. „Das wird eine der ersten Aufgaben des neuen EU-Parlaments sein," Und das wird im Juni gewählt. Brisant! Alle vier wollen wieder antreten, Krehl und Göpel sind sogar Spitzenkandidaten ihrer Partei. Schinder und Wenzel-Perillo haben die CDU-Listenplatze zwei und drei. Sachsens CDU-Generalsekretär Hermann Winkler: „Ich gehe davon aus, dass unsere Kandidaten alles tun, um den Sachverhalt aufzuklären."
(von Stefan Locke)