Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, Seite 4, 03.04.2004
Hähles Trost: Das Böse lauert überall
Polizeiskandal im Landtag: Milbradt und CDU stützen angeschlagenen Innenminister - Strapazierte Loyalität
Dresden. „Vielleicht hätten wir uns die ganze Sitzung sparen können", drückte Umweltminister Steffen Flath die Stimmung in der Regierungsfraktion aus. Was das Zahlenverhältnis der späteren Abstimmung betrifft, so behielt er natürlich Recht. Kein CDU-Abgeordneter tanzte aus der Reihe, als es um die beantragte Missbilligung des Ministerpräsidenten und die Forderung ging, Innenminister Horst Rasch abzuberufen. Schließlich: „Der Landtag ist nicht die Stätte für Klamauk und Wahlkampfgetöse", assistierte Fraktionschef Fritz Hähle.
Doch diese Bewertung des Anlasses für die dreistündige Sondersitzung des Landtages wollte die Opposition nicht mit der CDU teilen. Sie machte eine Generalabrechnung mit der Regierung Milbradt an deren vermeintlicher Schwachstelle Rasch fest. Die Polizei bezeichnete SPD-Fraktionschef Thomas Jurk als Experimentierfeld, die Reform werde nur benutzt, den Haushalt des Freistaats zu sanieren. Die Schlammschlachten der letzten Wochen hätten das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung belastet.
Auch Flath sprach von „Schlammschlachten im Innenministerium" und von „Hetzjagden", obwohl die in Deutschland verboten seien. Doch sein Tenor blieb versöhnlich. Man dürfe sich nicht gegenseitig abschlachten" und damit Politikverdruss weiteren Vorschub leisten. Mit Bibel-Zitaten und Hinweisen auf die Musikgruppe „Erste allgemeine Verunsicherung" mit ihrem Titel „Das Böse lauert immer und überall" bemühte sich Hähle um Klima-Auflockerung. Von Sicherheitsrisiken in Sachsen könne keine Rede sein, die böse Kritik am Innenministerium entnehme die Opposition nur der Zeitung. Dann rückte er die Frage, warum Menschen denunziert und vorverurteilt werden, auf die Gefahr, dass Ehre und Ansehen Schaden nehmen könnten, in den Mittelpunkt.
Das galt offenbar dem umstrittenen Landespolizeichef Eberhard Pilz. Für den legte sich der Innenminister heftig ins Zeug. Es gebe keine Beweise für die Vorwürfe gegen Pilz, die Polizeireform sei auf einem guten Wege, seine Mitarbeiter ließen sich nicht „aus dem Takt bringen". Er selbst werde sich nicht drängen lassen, aufgrund anonymer Verdächtigungen „irgendwelche Personalentscheidungen zu treffen."
Rasch sei nicht glaubwürdig, hielt PDS-Fraktionschef Peter Porsch dem Innenminister entgegen. „Was hat es mit Loyalität zu tun, wenn man Beamte versetzt, ohne mit ihnen vorher gesprochen zu haben?" Seinem Kollegen Hähle warf er vor, Begriffe wie Moral und Ethik zu missbrauchen.
„In schwierigen Zeiten lege der alte Landtagskollege autoritäre Züge an den Tag", höhnte SPD-Jurk. „Hier müffelt es gewaltig", stieß Steffen Tippach, innenpolitischer Sprecher der PDS, ins gleiche Horn. Für die angeschlagene Stellung Raschs spreche die Tatsache, dass dieser die Forderung von Finanzminister Metz zum Abbau von 2.100 Polizistenstellen aus der Zeitung erfahren habe. Der Vorgang grenzt schon fast an Leichenfledderei."
Als sein Partei-Vize Flath die Wogen bereits geglättet zu haben schien, ließ überraschend Ministerpräsident Milbradt Dampf ab. „Geht es um Lackkratzer oder um innere Sicherheit in Sachsen?" fragte er aufgebracht. Die Forderung an Rasch auf Entlassung von Pilz sei rechtswidrig, weil der Polizeipräsident kein politischer Beamter sei. „Sinn und Zweck dieser Regelung sei es, dass die Sicherheit im Land durch genausolche Anwürfe und Kampagnen nicht in Gefahr gerät, weil der zentrale Posten der Polizei unbesetzt ist", lautete seine Interpretation. Vehement stellte sich der Regierungschef hinter die Polizei, hob Sicherheitsgefühl und Aufklärungsquote hervor. Es müsse wie Hohn erscheinen, wenn SPD und PDS sich als Gralshüter der inneren Sicherheit präsentieren wollten. Die PDS habe soeben wieder den Verfassungsschutz abschaffen wollen.
Erstmals verteidigte Milbradt öffentlich die von ihm veranlasste Ausgabe von 6o.ooo Euro für eine geplante Serie zur Kriminalprävention bei Jugendlichen. Moderatorin Birgit von Derschau sei Mitglied der CDU und die qualifizierteste Autorin für diesen Auftrag. SPD-Nolle blieb da nur der Zwischenruf: „Qualifizierte Vetternwirtschaft."
(von Hubert Kemper)