Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, Seite 4, 15.04.2004
Böhmen-Tour von Polizeichef birgt Sprengstoff
Dresden. Eigentlich sollte Ruhe herrschen an der Spitze der sächsischen Polizei. Vor zehn Tagen noch hatten sich Innenminister Horst Rasch sowie Regierungschef Georg Milbradt (beide CDU) mit Einsatz hinter den angeschlagenen Polizeipräsidenten Eberhard Pilz gestellt. Tenor der zermürbenden Landtagsdebatte damals: An den Vorwürfen gegen den Beamten - von Belästigung von Mitarbeiterinnen über Untreue bis Alkoholmissbrauch - sei nichts dran: kein Zeuge, kein Beweis. Doch es hat wenig geholfen. Die Affäre Pilz schwelt weiter - mit immer neuen unschönen Details.
Ins Zentrum rückt jetzt eine Fahrt von Pilz und Innenstaatssekretär Michael Antoni nach Böhmen. Die fand vom 28. bis 30. Mai 2003 statt, nach offizieller Lesart ging es um Präventionsprojekte, Polizeiübungen und die Sicherheitslage in Karlsbad - eine klare Dienstreise also. Doch genau dieser Kurztrip ins Tschechische bringt Pilz jetzt in Erklärungsnot, und das Innenressort unter Umständen gleich mit. Denn seit Tagen kursieren in Dresden interne Aktennotizen und Ablaufpläne, nach denen sich der Fall anders darstellt: weniger Dienst- als Vergnügungstour.
Grund ist ein angepeilter Besuch der Polizeispitzen in der Brauerei Eger. Laut Notiz aus dem Innenressort vom 14. Mai 2003 stand die Verkostung auf dem Programm. Aufgetrieben hat das Papier - wer sonst? - SPD-Mann Karl Nolle. Prekär daran ist, dass Rasch dies in seiner Antwort auf eine frühere Anfrage unerwähnt ließ. Nolle: "Sollte der Hinweis stimmen, hätte der Minister gelogen."
Das sorgt für Aufsehen im Innenressort. Das Ministerium prüfe den Fall Eger erneut, sagte Sprecher Thomas Uslaub gestern. Rasch habe sich in seiner Antwort auf eine Art "Programmbericht" vom Juni 2003 bezogen, unterschrieben von Pilz. Darin sei vom Brauerei-Besuch keine Rede. Doch nicht nur das birgt Sprengstoff, Nolle hat auch Hinweise auf mögliche Untreuehandlungen. So habe Pilz seinen Privatwagen - einen Audi A 8 - nach einem Unfall vom Dienstfahrer zum Händler fahren lassen. Sogar der Firmenname sowie die Schadenshöhe - 1000 Euro - seien bekannt.
Diese zwei Facetten dürften das Ressort eifrig beschäftigen. Allein 52 neue Anfragen hat Nolle gestellt, gespickt mit internen Details und Unterlagen. Dabei ist diese Serie geschickt platziert. Anfang kommender Woche kehren Pilz und Antoni nach den Ostertagen an ihre Schreibtische zurück. Und bis dahin wird auch ein Prüfbericht zum Fall auf dem Tisch des Hauses liegen.
(von Jürgen Kochinke)