Karl Nolle, MdL
DNN(LVZ, 07.05.2004
Für Regierungschef Milbradt kommt QMF-Affäre zur Unzeit
Dresden. Das Wahljahr hätte für die CDU kaum ungünstiger beginnen können: Mitte Januar musste das Wirtschaftsministerium bei der Staatsanwaltschaft Anzeige wegen schweren Subventionsbetrugs und Untreue erstatten. 21 Millionen Euro waren zwischen 1999 und 2003 an den angeblichen Weiterbildungsbetrieb "Qualifizierung für Mikroelektronik und Fahrzeugtechnik" (QMF) geflossen - größtenteils zu Unrecht. Und weitere fünf Millionen waren bereits bewilligt.
Das Desaster trifft vor allem Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU), aber auch für die jetzige Staatsregierung ist die Affäre unerfreulich - vor allem für Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU). Gerade hatte der Regierungschef deutschlandweit mit Vorschlägen zum lahmenden Aufbau Ost punkten könnten, da droht ihm das Problem sein Positiv-Image zu verhageln. Die Vorwürfe in der aufgeheizten Ost-West-Debatte lauten: Sachsen, das Musterländle im Osten, geht mit Fördergeldern leichtfertig um; die Mikroelektronik in Dresden, bisher Vorzeige-Leuchtturm im Freistaat, kommt gleich mit in Verruf - als Beispiel für Mittelverschwendung in Millionenhöhe. Und das Schlimmste: Es ist nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft weitere Umschulungs- und Beschäftigungsgesellschaften in die Kritik geraten.
Das droht der sieggewohnten Sachsen-Union den Wahlkampf einzutrüben. Bisher kann Milbradt mit besten Umfragewerten glänzen, mit der Affäre aber bekommt "seine" CDU Schrammen. Für den Regierungschef hat das Folgen. Um in den kommenden Jahren freie Hand zu haben, muss Milbradt bei den Landtagswahlen im September ein Ergebnis weit über 50 Prozent erreichen. Nach dem QMF-Desaster hat die Landesregierung der Öffentlichkeit nun einen Betrugsfall in zweistelliger Millionenhöhe zu erklären, bei dem die Anträge im Wirtschaftsministerium unterschrieben wurden.
Zwar sitzt der zuständige Abteilungsleiter Hans N. inzwischen wegen Untreueverdachts in Untersuchungshaft. Doch wird in Dresden angenommen, dass er nur ein Rad in einem größeren Uhrwerk gewesen sein dürfte. Auch N.s Anwalt Peter Konzuch vermutet, dass es "politische Verquickungen" gegeben haben könnte. Schließlich lief parallel der Verkauf des staatseigenen, aber konkursgefährdeten Betriebs "Zentrum Mikroelektronik Dresden" (ZMD) an die Sachsenring AG.
Anwalt von Ex-QMF-Chef sieht nurVorwürfe "mit wenig Substanz"
Für beide Unternehmen sollte QMF die Qualifizierung übernehmen. Offenbar blieben die Mitarbeiter aber an ihren Arbeitsplätzen (DNN berichtete), bekamen nun staatliche Gelder als Gehalt - als verdeckte Subvention ein glatter Rechtsbruch. Wirtschaftsstaatssekretärin Andrea Fischer wollte sich gestern nicht zu diesem Punkt äußern. Erstmals teilte sie jedoch mit, dass von den 26 Millionen Euro (50 Millionen Mark) 13,5 Millionen Mark für die Qualifizierung beim ZMD bewilligt waren, der größte Anteil aber mit 19 Millionen Euro auf Qualifizierungen bei der Sachsenring AG entfielen. Die Qualifizierung war ausdrücklicher Bestandteil des ZMD-Verkaufskonzeptes 1998. Betrieben und gewünscht wurde der ZMD-Verkauf von Milbradt und Schommer. Im Visier der Ermittler stehen schon länger die Brüder Ulf und Ernst-Wilhelm Rittinghaus als ehemalige Chefs der Sachsenring AG im Zusammenhang mit der Pleite ihres Unternehmens.
Der Dresdner Anwalt Peter Manthey, der Ex-QMF-Geschäftsführer Helmut St. vertritt, hält die Strafanzeige des Wirtschaftsministeriums und den am Mittwoch erlassenen Haftbefehl gegen seinen Mandanten für wenig substantiiert. Der Haftbefehl sei eine reine Ansammlung von Vermutungen ohne die Angabe von Beweismitteln. "Das trägt keinen dringenden Tatverdacht."
Manthey geht nicht davon aus, dass Fördermittel zweckentfremdet verwendet wurden. "Es gibt eine Liste von Auffälligkeiten, die sich aber erklären lassen." QMF habe in kürzester Zeit 700 Mitarbeiter schulen und 26 Millionen Euro verwalten müssen. Für das Projekt seien fünf Verwaltungs-Stellen bewilligt worden. "Das war einfach zu wenig. Da gab es nicht genügend Controlling in der QMF." So seien in Zwickau fünf Mitarbeiter geschult worden, die in Thüringen gewohnt hätten, obwohl Grundbedingung für eine Schulung ein Wohnsitz in Sachsen war. "Das ist so durchgerutscht. Aber das trägt den Vorwurf Subventionsbetrug nicht. Am Schluss des Verfahrens wird nichts übrig bleiben", so der Anwalt.
Für Verwirrung in dem ohnehin schwer zu überschauenden Komplex sorgte gestern Wirtschaftsstaatssekretärin Andrea Fischer. Am Dienstag war der Eindruck vermittelt worden, sie habe nach ihrem Amtsantritt Mitte 2002 nach ersten Hinweisen sofort energisch reagiert. Gestern aber musste sie einräumen, dass erst Stichproben einer unabhängigen Kontrollstelle im Finanzminsterium die Machenschaften aufgedeckt hat. Hinweise zuvor seien nur "nebulös" gewesen, die Buchstaben QMF hätten dabei noch keine Rolle gespielt. Die Affäre wird nun in Kürze ein parlamentarisches Nachspiel haben. Fischer kündigte gestern eine Regierungserklärung von Gillo zum Thema an.
(S.Heitkamp/J.Kochinke/Th.Hartwig/I.Pleil)