Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 06.05.2004

SPD: Spitze des Eisbergs

Ursprung der Subventionsaffäre: Privatisierung des ZMD durch den Freistaat
 
Die Subventionsaffäre um die Qualifizierung Mikroelektronik und Fahrzeugbau (QMF) hat ihren Ursprung in der Privatisierung des Zentrums Mikroelektronik Dresden (ZMD) durch den Freistaat.

Das geht aus dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom Dezember 1998 hervor. Darin wird zwischen dem Freistaat und der Sachsenring AG vereinbart, dass die Zwickauer alsbald mit mehreren hundert ZMD-Mitarbeiter Verträge abschließen könnten zur Übernahme in eine „aus öffentlichen Mitteln finanzierte Beschäftigungs-/Qualifizierungsgesellschaft“. Wie Ernst-Wilhelm Rittinghaus, einer der Sachsenring-Manager, gestern bestätigte, sei bei den Verhandlungen auch auf höchster Ebene davon ausgegangen worden, dass die von Sachsenring nicht übernommenen Mitarbeiter in einer Auffanggesellschaft unterkommen. Es sei Aufgabe des Freistaates gewesen, die Leute unterzubringen.

Realisiert wurde das in der QMF. Wie es zur Gründung dieser Gesellschaft und zur Auswahl durch das Wirtschaftsministerium kam, konnten gestern weder der ehemalige Sachsenring-Manager noch das Wirtschaftsministerium erklären. Erst später, im Jahr 2002, habe sich die QMF angeboten, auch Sachsenring-Mitarbeiter zu übernehmen, deren Arbeitsplätze wegfallen sollten, so Ernst-Wilhelm Rittinghaus.

20 bis 21 Millionen Euro veruntreut

Sachsenring habe im damaligen QMF-Geschäftsführer Helmut Stachel einen kompetenten Ansprechpartner gesehen. Er saß zeitweilig auch im Sachsenring-Aufsichtsrat und war als Vertreter der IG Metall im Südwesten Sachsens Partner bei den Tarifverhandlungen.

Derzeit ist Helmut Stachel kaum erreichbar, denn er soll einer der beiden Beschuldigten sein, die am Dienstag festgenommen wurden. Bei dem anderen handelt es sich angeblich um den 65-jährigen Hans N., den die Polizei in einem kleinen Ort bei Stuttgart verhaftete. Bei ihm handelt es sich um einen ehemaligen Abteilungsleiter aus dem sächsischen Wirtschaftsministerium. Die beiden Festgenommenen sind offenbar die Hauptverdächtigen in dem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Untreue und Subventionsbetrug. Staatsanwalt Claus Bogner bestätigte, dass die Festgenommenen gestern in Untersuchungshaft mussten. Die Ermittler gehen derzeit davon aus, dass alle 20 bis 21 Millionen Euro veruntreut wurden, mit denen die Qualifizierung der ZMD- und Sachsenring-Mitarbeiter gefördert werden sollten. Das Wirtschaftministerium sprach am Dienstag noch von mehr als 50 Prozent. Angeblich seien die Mitarbeiter nicht geschult worden, sondern hätten teilweise einfach weitergearbeitet und die ausgezahlten Fördermittel als Entgeld erhalten. Dieser Verstoß begründe den Verdacht des Subventionsbetruges.

In der Affäre gerät jetzt auch Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), zur Tatzeit Finanzminister, unter Druck. „Was bei diesem ,Förderfall‘ alles passiert ist, kann dem Finanzminister nicht gänzlich verborgen geblieben sein“, sagte PDS-Fraktionschef Peter Porsch. „Milbradt war oberste Kontrollinstanz und in dieser Eigenschaft hat er versagt.“ Für die SPD-Landtagsfraktion ist der Fall „nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Simone Raatz, stellvertretende Fraktionschefin. Sie kritisierte, dass man zwischen dem Hinweis auf Fehlverhalten und Fördermittelmissbrauch 16 Monate habe verstreichen lassen: „Hätte das Wirtschaftsministerium zügig gehandelt, wäre ein Teil des finanziellen Schadens zu verhindern gewesen.“
(Von Thomas Schade und Andreas Novak)