Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 17.05.2004

Ost-Regierungschefs gehen auf die Barrikaden

Minister Clement will Fördergelder für die neuen Länder zusammenstreichen
 
Berlin. Die ostdeutschen Bundesländer müssen in den kommenden drei Jahren Kürzungen der Fördergelder für Investitionen befürchten. Grund ist die angespannte Haushaltslage des Bundes. Nach Auskunft des Bundeswirtschaftsministeriums vom Wochenende steht der Umfang der Kürzungspläne von Minister Wolfgang Clement (SPD) noch nicht fest.

Protest über die Parteigrenzen hinweg

Der Berliner „Tagesspiegel“ hatte berichtet, die fünf Ost-Länder würden 2005 weniger als die Hälfte der zugesagten Mittel aus der „Gemeinschaftsaufgabe Ost“ erhalten. Das Wirtschaftsministerium bestätigte, dass ein Teil der Gelder für 2005 bis 2007 zunächst nicht freigegeben werde. Die endgültige Höhe der Zuweisungen werde erst nach dem Kabinettsbeschluss zum Bundeshaushalt 2005 und zur Finanzplanung 2004 bis 2008 feststehen – voraussichtlich Ende Juni.

Für 2005 bis 2007 waren 700 Millionen Euro Investitionsförderung aus dem Bundestopf für die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe zur regionalen Wirtschaftsförderung vorgesehen. Für 2005 hat das Ministerium „vorläufig“ erst 35 Prozent und für 2006 und 2007 je 65 Prozent fest zugesagt. Das sei in der Bundesregierung abgestimmt, sagte eine Sprecherin Clements. Aufbau-Ost- Bundesminister Manfred Stolpe (SPD) bestätigte: „Die Mittel für 2005 und 2006 sind noch nicht freigegeben.“ Zugleich wandte er sich gegen eine Kürzung von Fördermitteln: „Streichen ist Unsinn“, sagte er.

Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) nannte Streichungen nicht hinnehmbar. Sie seien ein weiteres Hindernis für den Aufbau Ost. Die Bundesregierung spare einmal mehr an falscher Stelle und setze falsche Prioritäten. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) bezeichnete die Kürzungen als Bruch des Versprechens der Bundesregierung im Solidarpakt. „Damit ist der Aufbau bei uns in den neuen Ländern nicht mehr wie geplant zu packen.“ Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte, eine Reduzierung der Gelder um mehr als die Hälfte für 2005 sei nicht akzeptabel. Clement gefährde eine tragende Säule des Aufbaus Ost. Sachsen-Anhalts Bau- und Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU) warnte vor Abstrichen in der Infrastrukturentwicklung. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) meinte, es sei noch nicht das letzte Wort gesprochen. Solange der Haushalt 2005 nicht beschlossen sei, könne er das nicht abschließend bewerten.

Auch Koalitionspolitiker im Bundestag lehnten Kürzungen ab. So sagte SPD-Fraktionsvize Hans-Joachim Hacker: „Wir werden alles tun, um die Kürzung zu verhindern oder zumindest zu begrenzen. Eine Kürzung um 65 Prozent kann ich nicht akzeptieren.“ Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Katrin Göring-Eckardt, sagte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zu dieser Kürzung kommt.“ Denn das Geld sei fest zugesagt.

Auf der Liste des Subventions-Abbaus

Die Streichungen könnten dazu führen, dass Vorhaben gestoppt oder verzögert werden. Betroffen sind laut „Tagesspiegel“ neben kommunalen Straßenbauprojekten auch Privatinvestitionen. Hintergrund ist die Vereinbarung der Koalition, bei Aufstellung des Haushalts 2005 „bereits beschlossene Sparbeschlüsse“ umzusetzen, darunter die Liste zum Subventionsabbau der Regierungschefs Roland Koch (CDU/Hessen) und Peer Steinbrück (SPD/Nordrhein-Westfalen). In dieser Liste sind die Investitionsfördermittel für den Osten als zu kürzende Subventionen enthalten. (dpa)