Karl Nolle, MdL
SPIEGEL online, 18.05.2004
Kürzung Aufbau Ost: Bundesregierung will am Solidarpakt festhalten
Erneute Niederlage für Wirtschaftsminister Clement: Für die Sanierung des Bundeshaushalts hatte er Kürzungen beim Aufbau Ost ins Spiel gebracht. Das Echo darauf fiel ähnlich verheerend aus wie nach seiner Idee, den Sparerfreibetrag zu streichen. Flugs sammeln Regierungssprecher den Vorschlag wieder ein.
Magdeburg/Berlin - Wenn es um die Förderung der Neuen Bundesländer geht, kennen die ostdeutschen Politiker kein Pardon. Bereits der von Clement formulierte Gedanke genügte, um parteiübergreifenden Protest auszulösen. Die Kürzungen von Mitteln aus der Gemeinschaftsaufgabe Ost seien völlig inakzeptabel, hieß es übereinstimmend aus den neuen Bundesländern.
Die Bundesregierung gerät damit einmal mehr in die Defensive. Eilig bemühte sich der stellvertretende Regierungssprecher Hans-Hermann Langghuth, den Eindruck zu zerstreuen, dass die Einschnitte bereits beschlossene Sache sind. 623 Millionen Euro seien bisher für den Aufbau Ost verbindlich zugesagt und von eventuellen Kürzungen nicht betroffen, sagte Langguth am Montag in Berlin. Ob es überhaupt zu Kürzungen kommen werde, werde erst am 23. Juni mit dem Haushalt 2005 im Kabinett entschieden.
Nicht in Frage gestellt werde jedenfalls der Solidarpakt II, der 156 Milliarden Euro bis 2019 vorsehe. "Die Bundesregierung wird sicherstellen, dass die neuen Bundesländer auch in Zukunft in angemessener Weise gefördert werden", betonte Langguth. Ein Sprecher des für den Aufbau Ost zuständigen Ministers Manfred Stolpe (SPD) sprach von einem Missverständnis. Es gebe bisher noch keine Kürzungen, wenn auch nicht sicher sei, ob alle ursprünglich geplanten Verpflichtungen für 2005 eingegangen werden könnten.
Unterdessen hat das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) vor übereilten Entscheidungen gewarnt. "Man muss sich überlegen, ob man nicht am falschen Ende spart", sagte der IWH-Konjunkturexperte Udo Ludwig. Bevor gekürzt werde, sollten die einzelnen Förderinstrumente auf ihren Erfolg hin untersucht werden. "Erst messen und dann abschneiden", riet Ludwig. Wenn schon gekürzt werden müsse, sollten wenig erfolgreiche Instrumente ganz abgeschafft werden. Nach seiner Ansicht wird es deshalb auch weiterhin eine Ost- Förderung geben müssen. "Fördermittel sind ein probates Mittel, um die Wachstumskräfte zu stärken", sagte er.
Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff (SPD) sagte, die Mittel für den Aufbau Ost müssten in der zugesagten Höhe fließen. Bundeskanzler Gerhard Schröder habe in Schwerin erklärt, der Aufbau Ost sei eine noch nicht zu Ende gebrachte Erfolgsstory. Nun müsse man diese auch konsequent fortführen.
Die Grünen im Bundestag lehnen nach Aussagen von Haushaltsexpertin Antje Hermenau Kürzungen beim Aufbau Ost ab. In der Fraktion gebe es Einigkeit, dass weiter in der zugesagten Höhe gefördert werde, sagte die Dresdner Abgeordnete. Allerdings solle das gezielter Zukunftsinvestitionen betreffen. "Die Mittel sind fest zugesagt. Bei aller Brisanz des Haushaltes ist es der denkbar falsche Topf, um zu sparen." Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt bezeichnete die Vorstellungen zur Kürzung von Investitionsfördermitteln als inakzeptabel. "Damit wären die weitere wirtschaftliche Entwicklung und privatwirtschaftliche Investitionen nicht mehr möglich."
Trotz der Beteuerungen der Bundesregierung hebt derweil bereits die Diskussion darüber an, welche Auswirkungen die möglichen Streichungen haben könnten. Doch die Verantwortlichen wiegeln ab: "Es ist einfach unmöglich, derzeit eine konkrete Rechnung aufzumachen", sagte der Sprecher des sachsen-anhaltischen Bau- und Verkehrsministeriums Harald Kreibich. "Wir stellen uns darauf ein, dass der Bund die Mittel drastisch zurückfahren wird." Das sei kein Wunder angesichts des Maut-Desasters der letzten Monate, wodurch enorme Kosten auf den Bund zukämen. Der Finanzminister des Landes Karl-Heinz Paqué (FDP) warnte vor Kürzungen: "Wer hier Mittel abzieht, hat sich innerlich vom Aufbau Ost verabschiedet."