Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 12.06.2004
Qualkampf
Sächsisch betrachtet von Andreas Novak
WER die Wahl hat, hat die Qual – das gilt nicht nur für die Wähler, sondern auch für die, die gewählt werden wollen. So dürfte der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle Gewissensqualen gelitten haben, als er mit seinem Druckhaus Aufträge für Wahlkampfmaterial übernommen hat. Nicht etwa, weil es darum ging, ob er seiner eigenen Partei Geld für Aufträge abknöpfen darf – vielmehr rannte ihm auch der politische Gegner die Bude ein. CDU, PDS und Grüne ließen zu Top-Konditionen Argumente drucken, warum sie besser als Nolles SPD seien. Eigentlich sind Umfragewerte der Landes-SPD ja gar nicht so schlecht, dass sich der Unternehmer Sorgen um seine politische Karriere machen müsste – aber das Hemd ist nun einmal näher als die Jacke.
ARG gequält haben sich auch beispielsweise die CDU-Wahlkämpfer beim Verkaufen ihrer Politik. Der CDU-Landtagsabgeordnete Lars Rohwer hat das Verkaufen sogar so sehr verinnerlicht, dass er intern zum Endkampf an der Plakatfront mit „ALLES MUSS RAUS!!!“ warb. Gleichzeitig wetterte der linientreue Jungpolitiker, das SPD-Wahlplakat „Dresden muss sparen, dann fangen wir doch gleich an – mit der CDU“ sei „einer demokratischen Partei unwürdig“. Sein Fraktionskollege Heinz Eggert war da schon abgeklärter. Als „ausgesprochen geistreich“ lobte der Ex-Innenminister den SPD-Spruch, auch wenn er ihm natürlich nicht gefalle. Hingegen habe er bei der eigenen Wahlwerbung „kaum inhaltliche Aussagen zur Stadtpolitik“ entdecken können. Tja, im Wahlkampf quält man sich auch untereinander gern.
GAR nicht zu quälen scheint sich die PDS. Vielmehr scheint es, als habe man sich hier bereits aufs Träumen verlegt. Als die Landtagsfraktion dieser Tage einen bereits in den Geschäftsgang gebrachten Gesetzentwurf zurückzog, wusste man dies recht bemerkenswert zu begründen. Da CDU und SPD „völlige Ignoranz“ gezeigt hätten, habe man halt diese Notbremse gezogen. „Beflügelt von der Dynamik neuer Mehrheitsverhältnisse“ stehe das Gesetz in der nächsten Legislaturperiode sicher wieder auf der Tagesordnung, kommentierte die PDS-Abgeordnete Gunild Lattmann-Kretschmer. Vielleicht hat ihr noch niemand gesagt, dass eine absolute Mehrheit der PDS ab September doch eher unwahrscheinlich ist.