Karl Nolle, MdL
Neues Deutschland - ND, 28.06.2004
Liste und Partei gründlich zerlegt
Sachsens SPD klärt Richtungsstreit und demontiert ihre Vorsitzende
Sachsens SPD-Chefin Krehl hat auf einem Listenparteitag eine schwere Schlappe erlitten. Drei Monate vor der Landtagswahl ist damit der interne Richtungsstreit entschieden – und das Erscheinungsbild ramponiert.
Um eins war die Spannung nicht mehr zu steigern im Saal des Volkshauses Döbeln. Karl Nolle, »Chefaufklärer« der sächsischen SPD, kämpfte um seine parlamentarische Zukunft: mit Appellen an Moral in der Politik und dem Bekenntnis, sein Herz als Unternehmer schlage links. Das Ringen um einen sicheren Listenplatz für das politische Schwergewicht war Höhepunkt eines »reinigenden Gewitters«. Damit beendeten die sächsischen Sozialdemokraten gestern einen lange schwelenden Richtungsstreit. Sie nährten aber gleichzeitig Befürchtungen, die Partei könne bei der Landtagswahl am 19.September nach 10,7 Prozent im Jahr 1999 noch weiter abrutschen.
Als Nolle um 13.28 Uhr die nötigen 31 Stimmen erhalten hatte, war die Schlappe vollkommen, die der Führungszirkel um Landeschefin Constanze Krehl und »graue Eminenzen« wie Gunter Weißgerber erlitten hatte. Der Bundestagsabgeordneten hatte Nolle, der »Kampfwalze« (CDU-Jargon) gegen »schwarzen Filz«, eine »verheerende Außenwirkung« attestiert und damit auf den Grundkonflikt der Partei verwiesen. Diese ist hin- und hergerissen zwischen versöhnlicher Haltung gegenüber der CDU-Landesregierung und scharfer Opposition. Parteilinke wie Nolle und Fraktionschef Thomas Jurk legten sich dabei auch mit der Bundesregierung an und pflegen ein unverkrampftes Verhältnis zur PDS.
Ausgefochten wurde der Konflikt an diesem Wochenende. Die Delegierten hoben dabei vier Vertreter des Jurk-Lagers auf aussichtsreiche Plätze, die – wie Nolle und der frühere Leipziger Rektor Cornelius Weiss – teils erst tags zuvor vom Parteivorstand in die Abgründe der Liste verbannt worden waren. Das von Parteirechten dominierte Gremium hatte damit einen Kompromiss zerstört, den Krehl und Jurk zuvor ausgehandelt hatten. Es ignorierte dabei auch die Basis: Nolle war als einzigem Bewerber eine Vorabstimmung in seinem Unterbezirk aufgenötigt worden; das zu seinen Gunsten ausgefallene Votum wurde dann jedoch übergangen.
Krehl hat damit den Bogen wohl überspannt. Das bekam die Vorsitzende, die sich mit Jurk einen Machtkampf um die Spitzenkandidatur geliefert und nur widerwillig Platz zwei in einer »Teamlösung« akzeptiert hatte, bereits bei der ersten Abstimmung zu spüren: Für Jurk votierten 89 Prozent, für Krehl schlappe 55 Prozent. Im Podium saßen beide fortan mit versteinertem Blick nebeneinander. Jurks Beteuerung, dass »wir immer noch ein Team sind«, wurde durch die Körpersprache widerlegt.
Nach den folgenden Abstimmungen zu Ungunsten ihrer Gefolgsleute war die »Niederlage«, die Krehl selbst einräumte, perfekt – auch wenn sie die fälligen Schlüsse gestern noch nicht ziehen wollte. Über Konsequenzen wolle sie »binnen 24 Stunden« entscheiden. Offen ist dabei, ob sich die Europaabgeordnete nur vom Vorsitz zurückzieht oder auch ihre Landtagsbewerbung zur Disposition stellt.
Freude wollte danach auch bei den Siegern nicht recht aufkommen. Es seien »strittige Fragen geklärt« worden, sagte Jurk. Deutlich wurde aber auch, dass die Partei drei Monate vor der Wahl in zwei annähernd gleich starke Lager zerrissen ist. Das belegen die Stimmergebnisse aller kontroversen Kandidaten von Krehl über Nolle bis zu Juso-Landeschef Martin Dulig, der gegen den Willen der Parteioberen Platz drei eroberte. Die Außenwirkung, räumt dieser später ein, sei »verheerend«.
(ND 28.06.04)
(Von Hendrik Lasch, Döbeln)