Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 03.01.2001

Lausitzer Bonbon - Durchaus prämienreif

Wenn die jungen Leute denn einen Grund hätten, zurück zu kommen ...
 
DRESDEN. SPD-Mann Karl Nolle hat schon Recht. Zu viele junge Leute kehren Sachsen und ganz besonders der Lausitz den Rücken. Sie ziehen schlichtweg der Arbeit hinterher, nach dem Motto: Lieber in der Fremde in Lohn und Brot, statt zu Hause arbeitslos. Diesen Trend möchte der Dresdner Sozialdemokrat, selbst Firmenchef und zudem Landtagsabgeordneter, gern umkehren. Und deshalb schlägt er vor, jedem Rückkehrer unbürokratisch 5 000 Mark zu geben. Das klingt gut. Und es wäre gut. Wenn die jungen Leute denn einen Grund hätten, zurück zu kommen. Gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt wären so ein Grund. Noch aber ist der Strukturwandel in der Lausitz lange nicht so weit, dass Rückkehrer hier ohne große Probleme einen Job für vergleichbare Löhne finden können. Bis dahin haben wir einen Gegenvorschlag. Karl Nolle könnte doch mal seinen Parteivorsitzenden anrufen, auch Bundeskanzler genannt. Der wiederum könnte mal prüfen, was der Staat oder die ihm gehörenden Unternehmen für die Lausitz tun. Irgendwann käme er dann zum Beispiel auf die Idee, die dem Bund gehörende Deutsche Bahn AG könnte mehr neue Fahrzeuge bei den Waggonbauern in Bautzen, Görlitz und Niesky ordern. Das würde hier Arbeitsplätze sichern oder gar neue schaffen - und einige junge Leute mehr blieben in ihrer Heimat. Wir würden Herrn Nolle und seinem großen Chef glattweg 5 000 Mark in die Hand drücken.
(von Tilo Berger)

Kommentar:
Wer hat eigentlich regiert in Sachsen seit 10 Jahren?
Wer hat im Bund regiert bis 1998?
Sind die Anfangsfehler und Versäumnisse, die Konzeptionslosigkeit beim Aufbau Ost der Anfang oder das Ende Herr Thilo Berger?

Seit 1990 sind über eine halbe Million Menschen aus Sachsen weggezogen, davon über 200.000 junge Menschen unter 30 Jahren. Wir zählen seit Jahren 400.000 Arbeitslose in Sachsen + ABM Warteschleifen.

Einige Städte in der Lausitz haben seit der Wende bis zu 30 % der Bevölkerung verloren. Weggegangene und Arbeitslose sind zusammen ca. eine Million Menschen die keine Perspektive in Sachsen sehen. Das ist ein Viertel der Sächsischen Bevölkerung Sie sind nicht die Gewinner der Einheit.

Sachsen ist eben immer vorn, und wenn wir hinten sind, dann ist eben hinten vorn, sagt der Ghostwriter vom Schommer.

Bevölkerungsabwanderung, in den anderen ostdeutschen Ländern sieht es ähnlich aus. Die Folge, ist zusätzliche Überalterung und Vergreisung.
Die Abstimmung mit den Füßen von Hunderttausenden, die weiter anhält, ist eine Bankrotterklärung von heutiger Wirtschafts- und Sozialpolitik und verdeutlicht die Illusionen, Mißverständnisse und Fehlentwicklungen beim Aufbau Ost.

Das Arbeitsamt Bautzen hat im Herbst 2000 für Arbeitslose, die nach Bayern gehen, 5.000 DM Kopfprämie mit ausdrücklicher Zustimmung von Wirtschaftsminister Schommer gezahlt. Heute fehlen in einigen Branchen Facharbeiter, und der zusätzliche Wahnsinn ist - Ausbildungsförderung wird nur für eine begrenzte Zahl von Betrieben gezahlt, bei 4.500 Plätzen in Sachsen ist Schluß, wer drüber ist, kriegt nichts.

Meine These von der „Rückkehrprämie“ und vom „Abwanderungsstop“ soll zum Nachdenken veranlassen.

Nur wenn die Menschen kommen und nicht wenn sie zu Hunderttausenden weggehen, können wir vom Erfolg unserer Wirtschafts- und Sozialpolitik reden. Alles andere ist ein politischer Offenbarungseid und dafür gibt es Verantwortliche.

Wieviel Arbeitsplätze haben Sie schon geschaffen, Herr Thilo Berger?
Besuchen Sie mich mal in meinem Unternehmen, da können Sie konkrete Wirtschaftspolitik erleben. Aber Vorsicht! Informationsgefahr! Herr Berger!

Übrigens im Herbst 2000 fanden Herr Berger und Herr Schommer die Idee ganz toll, Arbeitslosen in Bautzen 5.000 Mark in die Hand zu drücken, damit sie hier verschwinden, wogegen ich energisch protestiert habe. Es sind mit diesem Kopfgeld ganze 37 Arbeitslose nach Bayern gelockt worden. Ein toller Erfolg, Herr Berger, wirklich toll und Schommer gefällt es auch. Das haut rein.
KARL NOLLE, MdL