Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 07.07.2004
Thomas Jurk: "Regierungspräsidien können wir abschaffen"
Leipzig. Thomas Jurk steht seit einer Woche kommissarisch an der Spitze der sächsischen SPD. Zuvor war Constanze Krehl nach einer Wahlschlappe auf dem Listenparteitag in Döbeln zurückgetreten. Im Redaktionsgespräch analysierte der bodenständige 42-Jährige aus dem Lausitzdorf Weißkeisel (bei Weißwasser) das Tief der SPD in Sachsen und zeigte sich sicher, dass sich das '99er Wahldebakel nicht wiederholen werde.
Frage: Saftige Einbußen bei den letzten Wahlen und personelle Querelen: Wie gehen Sie damit um, dass die SPD in Sachsen keine Volkspartei ist?
Thomas Jurk: Die Wahlergebnisse in Sachsen sind unterschiedlich. Im Leipziger Stadtparlament sind wir wieder stärkste Fraktion, auch in Radeberg und in Johanngeorgenstadt sind wir stark. Über das Land verteilt haben wir aber Strukturprobleme. Trotzdem stimmt das Pauschalurteil, dass wir keine Volkspartei seien, so nicht.
Liegen die Ursachen der SPD-Misere im Osten an der Bundespolitik?
Das hat damit zu tun. Wir sollten uns in Sachsen aber auch an die eigene Nase fassen.
Vor allem bei den Personalentscheidungen ...
Constanze Krehl hat ihre Aufgaben in der schwierigen Zeit nach dem Einbruch bei den Landtagswahlen 1999 gut erfüllt. Nach ihrem Rücktritt als Parteichefin liegt es jetzt an mir, die SPD geschlossen in den Wahlkampf zu führen.
Mit Constanze Krehl?
Wir werden unsere einzige Europaabgeordnete mit einbeziehen. Als mitgliederschwache Partei können wir auf niemanden verzichten.
Wird der Kanzler Wahlkampf in Sachsen machen?
Es sind Auftritte geplant, einer davon in Leipzig.
Die Politik der Bundes-SPD sorgt aber an ihrer Basis für viel Unmut ...
Entscheidend sind doch die Alternativen zur notwendigen Reformpolitik von Rot-Grün. Die sehe ich aber weder bei der Union geschweige denn bei der PDS.
Trotzdem, Hartz IV birgt gerade im Osten sozialen Sprengstoff in sich. Müssen Sie nicht laut ,Stopp' rufen?
Das tue ich auch. Der Unterschied liegt darin, entweder Menschen in Arbeit zu bringen, wie wir das wollen oder sich darüber zu unterhalten, wie Arbeitslose staatlich zu subventionieren sind.
Hartz IV schafft aber keine Jobs.
Deshalb muss die Reform von Beschäftigungsinitiativen begleitet werden. Wenn der erste Arbeitsmarkt nicht greift, dann auch mit qualifizierter öffentlicher Beschäftigung.
Gesetz dem Fall, die SPD bekäme in Sachsen Regierungsverantwortung. Was wären die ersten drei Maßnahmen?
Drei reichen nicht. Ein Zehn-Punkte-Programm muss her, mit effektiverer Wirtschaftsförderung, einer Verwaltungsreform und einem Bildungskonzept.
Eine Verwaltungsreform träfe auch die Regierungspräsidien.
Die können abgeschafft werden, weil sie sich überlebt haben.
Präsentieren Sie das Zehn-Punkte-Programm im Wahlkampf?
Wir werden über dieses Programm unsere Botschaften verdeutlichen. Es geht um die sachliche Auseinandersetzung mit der CDU.
Und dafür würden Sie mit der PDS auch eine Koalition bilden?
Das kann ich mir schwer vorstellen. Wir machen im Wahlkampf keine Koalitionsaussage. Zuerst brauchen wir ein ordentliches Wahlergebnis, dann folgt alles andere.
Was heißt das konkret?
Alles, was über den 10,7 Prozent von 1999 liegt, ist für uns ein Erfolg.
Wo liegt die Schmerzgrenze nach unten?
Die Frage stellt sich nicht, weil es nach oben gehen wird.
Fürchten Sie den Domino-Effekt für die SPD durch die Affären rund ums Leipziger Rathaus?
Die Leipziger haben bei der Stadtratswahl ein klares Bekenntnis für OBM Tiefensee und die SPD getroffen. Die Kritik von CDU-Generalsekretär Winkler riecht zu sehr nach Wahlkampf, auch schon mit Blick auf die Leipziger OBM-Wahl 2005.
Notiert von André Böhmer